Dienstag, 29. April 2025
Köln-Reise 1
«Köln – wieso Köln?»
Wenn ich erzähle, dass wir in Köln waren, wenn ich erzählte, dass wir nach Köln fahren, dann zeigen bzw. zeigten die Menschen ein komisches Verhalten: Sie runzeln (runzelten) die Stirn, sie hüsteln (hüstelten), sie blicken (blickten) uns starr an, und dann immer wieder die Frage, diese in verschiedenen Formen: «Köln?», «Köln – wieso Köln?», «Ihr fahrt nach Köln?», «Ihr wart in Köln?», die Möglichkeiten endlos.
Das ist nun sehr, sehr, sehr merkwürdig.
Denn die Nennung von Berlin, Hamburg oder München würden eine solche Reaktion nicht hervorrufen. Dabei ist Köln die vierte der deutschen Millionenstädte, eben zusammen mit Berlin, Hamburg und München. Immer und stets knapp drüber, auch einmal drunter, aber nun eben doch eine Millionenstadt. Und: Von den Millionenstädten auf jeden Fall die älteste, schon von den Römern gegründet.
Grund also genug, auch mal nach Köln zu fahren.
Rheingau mit Stopp-Fahrt
Wie ich neulich schon beschrieben (im Post «Einfache Lösung für eine Reise»), fuhren wir auf dem Hinweg über Wiesbaden. Die Strecke Wiesbaden – Koblenz – Köln gehört zu den schönsten in Deutschland. Und ich meine nun genau diese, nicht die bekanntere auf der rechtsrheinischen Seite, sondern die linksrheinische Strecke durch den Rheingau. So bin ich zum Beispiel jedes Mal bewegt, wenn ich auf die Bäume am Flussufer bei Winkel blicke, zwischen denen sich am 26. Juli 1806 die Karoline von Günderrode den Dolch in die Brust stiess. Aber das ist nur ein Highlight von vielen…
Schön, dass die DB auch zwischen den Bahnhöfen sehr viel hält. Man hat Zeit, den Blick über die weiten hügeligen Weinberge zu werfen. Man hat Zeit, den ruhig dahinströmenden Fluss zu betrachten. Man sogar Zeit, auf die linksrheinische Seite zu schielen, die man natürlich kennt, aber so schön ja nie gesehen hat.
Schön, dass die DB viel hält. Allerdings ein bisschen sehr viel. Und ab der Dämmerung und der einbrechenden Nacht dann sehr überflüssig. In Koblenz verpassen wir unseren Anschluss, steigen auf eine Totalbimmelbahn um – und erreichen Köln HBF mit 90 Minuten Verspätung. Und zwar ohne Personenunfall, ohne Entgleisung, ohne Streckensperrung, einfach durch normale DB-Schlamperei. Es gibt viel zu tun, vielleicht sollte man alles Geld in die Schiene stecken und für den Rest noch einmal 500 Sondermilliarden suchen.
Wir schaffen die Hälfte der Romanischen Kirchen
Es gehört zu den UNESCO-Merkwürdigkeiten, dass der Kölner Dom Weltkulturerbe ist und die zwölf Romanischen Kirchen nicht. Denn kaum eine Stadt, ich würde sogar sagen, keine Stadt, hat eine solche Anzahl von Sakralbauten aus dieser Epoche. Gotik? Hat jeder. Aber Romanik? St. Kunibert, St. Andreas, St. Ursula, St. Gereon, St. Aposteln, St. Cäcilien, St. Pantaleon, St. Severin, St. Maria in Lyskirchen, St. Georg, St. Maria im Kapitol und Gross St. Martin stehen in einem Halbkreis um die Innenstadt herum und hätten es wirklich verdient, statt des Domes auf der UNESCO-Liste zu stehen.
Gut, bei der Anzahl «12» hat man schon ein wenig nachgeholfen, einige der Kirchen sind später so stark gotisiert worden, dass man hinter das «romanisch» ein Fragezeichen setzen müsste, und bei einigen ist kaum ein Stein aus der Romanik (oder zumindest keiner am richtigen Platz), denn Köln wurde im Weltkrieg extrem zerstört. Aber was soll es, «11 Romanische Kirchen» oder «13 Kirchen», das würde doch doof klingen…
Wir hatten übrigens vor, alle anzuschauen, St. Kunibert, St. Andreas, St. Ursula, St. Gereon, St. Aposteln, St. Cäcilien, St. Pantaleon, St. Severin, St. Maria in Lyskirchen, St. Georg, St. Maria im Kapitol und Gross St. Martin. Geschafft haben wir aber nur die Hälfte. Aber das ist keine schlechte Quote, oder? Und St. Maria in Lyskirchen haben wir Tag und Nacht angesehen – sie lag direkt vor unserem Hotelfenster.
Ein aussterbender Beruf
In einer Woche kommt einiges an Gastronomiebesuchen zusammen. Da das Hotelfrühstück extrem teuer war, man zwischendurch einen Kaffee braucht, da man in 4 Stunden Wallraff-Museum und in 4 Stunden Museum Ludwig auch eine Pause braucht, und da man am Abend auch noch etwas essen muss, verbringt man doch eine Zeit in Restaurants, Cafés und ähnlichen Etablissements.
Und jedes Mal machte ich den gleichen Fehler: ich ging einfach so, ohne Gepäck und ohne alles auf die Toilette. Auch ohne Geld, denn per Gesetz ist vorgeschrieben, dass der Gastronom für Gäste ein WC gratis anbietet.
Aber da sass sie: Die Toilettenfrau. Ein Anblick, den man kaum mehr sieht. Ein aussterbender Beruf. Aber in Köln gibt es sie noch.
Und nun möchte ich mich bei allen, allen, allen, allen entschuldigen. Der im Café Hoppel und der im Café Schmidt und der im Kölner Hof und der im «Bunten Hahn»: Ich hatte nie Geld dabei und habe euch nix gegeben und das TUT MIR SEHR LEID.
So viele für heute.
Am Freitag mehr.
Freitag, 25. April 2025
Jetzt einen Schweizer Papst!
Obwohl der Papst ja noch nicht einmal unter der Erde ist, wird schon jetzt an seiner Nachfolge gestrickt und hier habe ich auch einen entscheidenden Punkt beizutragen. Der nächste Papst muss Schweizer sein – und ich führe hier fünf gute Gründe an.
Grund Eins: Wir sind jetzt einmal dran
In allen den zweitausend Jahren Papsttum gab es noch nie einen Schweizer Papst. Das heisst, wir sind nun endlich einmal dran. Wir sind einfach an der Reihe. Unsere Nummer wird aufgerufen.
Nun könnten Kritiker einwenden, dass es notwendig sei, (wieder) einen Oberhirten aus dem Globalen Süden zu wählen. Schliesslich schwindet die Zahl der Katholiken in Europa, während sie in Asien und Afrika, und in Lateinamerika wächst. Also ein Asiat oder Afrikaner oder Latino auf dem Heiligen Stuhl? Nein. Denn die Eidgenossenschaft gehört zum Globalen Süden. Finde ich. Ein so kleines Land, das weder riesige Ackerflächen noch Erdöl oder Seltene Erden besitzt, stets ein Spielball der Mächte, ein solches Land gehört zum Globalen Süden. Für diese Argumentation muss man nun allerdings die Machenschaften von Glencore und Nestlé ziemlich gewandt umschiffen. Aber dann umschiffen wir eben.
Grund Zwei: Wir sind die Diplomaten.
Welches Land ist seit Jahrhunderten neutral und friedlich? Welches Land ist Sitz von tausenden internationalen Organisationen? Welches Land vermittelt in Konflikten? Welches Land übernimmt diplomatische Vertretungen anderer Staaten? Immer die Schweiz.
Wenn es also darum gehen wird, dass der Pontifex friedensstiftend und mässigend und diplomatisch und wohltuend ins Weltgeschehen eingreift, dann sollte er aus einem Land kommen, das seit jeher friedensstiftend und mässigend und diplomatisch und wohltuend ist.
Nämlich aus der Schweiz. Wir haben nämlich nicht nur den Reissverschluss und das LSD, sondern auch den Frieden erfunden.
Grund Drei: Wir bewachen eh den Laden
Seit Jahrhunderten stellt die Schweiz die Armee des Vatikans, die sogenannte Schweizergarde. Sie kennen sicher die Bilder, die Truppe sieht ein bisschen wie aus einem Kostümfest aus, ist aber hochmotiviert, super ausgebildet und super motiviert. Und alles sind gelernte Soldaten, denn die absolvierte Rekrutenschule ist – neben katholisch, ledig, Eidgenosse und gutem Leumund – die Voraussetzung.
Wenn wir also den Laden schon seit vielen Jahren hüten, dann wäre es nur logisch, wenn der, den wir schützen auch endlich einmal einer der unseren wäre. Und es wäre doch auch sehr, sehr, sehr lustig, wenn der neue Papst sich mit seinen Wächtern (zumindest mit denen aus der Deutschschweiz) in einer Sprache verständigen könnte, die niemand dort versteht.
Grund Vier: Unsere Kardinäle sind grossartig
Es müsste ja gar nicht immer ein Kardinal sein. Theoretisch kann nach dem Kirchenrecht jeder Mann über 35 Papst werden, wenn er getauft und ledig ist.
Theoretisch. So wie ja auch ein Bundesrat oder (in der BRD) Bundesminister keiner Partei angehören muss. So wie man theoretisch auch ohne Studium CEO einer Firma mit 3000 Leuten werden kann. Theoretisch.
De Facto ist das natürlich zum letzten Mal passiert, als man Eremiten vom Stein holte, an dem sie angekettet waren, de facto wird der neue Papst einer der Kardinäle, und da haben wir zwei: Koch und Tscherrig, und beide sind grossartig.
Mehr muss man dazu nicht sagen.
Grund Fünf: Wir können auch schmierig und korrupt
Es könnte ja nun aber sein, dass ein herzensguter, weltoffener, anständiger und korrekter Pontifex gar nicht gewünscht wird. Es könnte ja sein, dass die Kurie weiter ihre obskuren Finanzen und fiesen Geschäfte weiterbetreiben möchte.
Und auch hier kann die Eidgenossenschaft dienen: Wir können auch korrupt. Die Schweiz hat ja nicht nur anständige und nette Typen in die Welt geschickt, wir haben nicht nur Del Ponte und Co. im Angebot, sondern auch mafiöse und kriminelle Menschen.
Sepp Blatter zum Beispiel.
Oder Gianni Infantino.
Sie würden vielleicht gut in bestimmte Ecken des Vatikans passen.
Ich wollte über meine Frühlingsreise nach Köln schreiben, aber es kam Aktuelles dazwischen,
Obwohl der Papst noch nicht unter der Erde ist, wird schon jetzt an seine Nachfolge gedacht. Und der nächste Papst muss Schweizer sein, Sie lasen 5 Gründe.
Ich freue mich schon auf die Überschrift im BLICK:
WIR SIND PAPST.
Dienstag, 22. April 2025
Neue Grenzen in Mitteleuropa
So.
Heute komme ich einmal mit einer frohen Botschaft: In Mitteleuropa ändern sich die Grenzen. Und zwar ganz friedlich und ohne Krieg.
Ohne Blutvergiessen und ohne Armee.
Sie glauben es nicht? Schauen Sie, was ich im Netz gefunden habe:
Das österreichische Bundesland Vorarlberg und Liechtenstein planen einen neuen Grenzverlauf. Im Zentrum des Geschehens steht ein See, genauer ein Rückhalteweiher bei Feldkirch. Vor zehn Jahren künstlich angelegt, macht er heute den ohnehin schon kurvigen Grenzverlauf zwischen Liechtenstein und Österreich nicht mehr erkennbar. Deshalb soll die Grenze jetzt künstlich bereinigt und gerade durch den See festgelegt werden. Das teilte die Liechtensteiner Regierung mit. Damit keines der Länder durch die Grenzverschiebung an Fläche verliert, tauschen Liechtenstein und Österreich Gebiete von rund 250 Quadratmetern aus. Der Vorarlberger Landtag wird wohl frühestens Anfang April darüber beraten. Er muss dem Vorhaben noch zustimmen, erst dann kann die österreichische Bundesregierung den Staatsvertrag mit Liechtenstein abschließen.
(Quelle: SWR)
Das ist doch grossartig, nicht? Nicht nur, dass hier eine Grenze sinnvoll und praktisch neu gezogen wird, nein, es werden auch noch Gebiete ausgetauscht, damit alle zufrieden sind.
Ich meine das übrigens gar nicht so ironisch, wie das hier klingt. Vor 400 Jahren konnte es nun durchaus vorkommen, dass der Graf von Hermesheim und der Fürst von Unterhausen über einen um 1 Meter versetzten Grenzstein in Zwist gerieten, und da beide mächtige Verbündete hatten, brach ein Krieg aus, der ein Drittel von Deutschland betraf.
Hoffentlich haben Liechtenstein und Österreich genau geprüft, ob sich in den 250 qm nicht Cer, Praseodym, Neodym, Promethium, Samarium, Europium, Gadolinium, Terbium, Dysprosium, Holmium, Erbium, Thulium, Ytterbium, Lutetium, Lanthan, Scandium oder Yttrium befindet. Wäre blöd.
Denn Cer, Praseodym, Neodym, Promethium, Samarium, Europium, Gadolinium, Terbium, Dysprosium, Holmium, Erbium, Thulium, Ytterbium, Lutetium, Lanthan, Scandium und Yttrium sind extrem gesucht. Und teuer. Und selten, weshalb sie ja auch den schönen Namen «Seltene Erden» erhalten haben.
Aber ich denke, die Vorarlberger haben das getestet.
Ein Krieg zwischen Liechtenstein und Österreich wäre nun auch das Dämlichste, was man sich denken kann. Wobei die Eidgenossen gerade wirklich am Diskutieren sind, ob die das sogenannte «Ländle» mit verteidigen müssten. Man ging stets davon aus, es gibt aber (noch) keine Verpflichtung. Und es würde ja auch die Neutralität sprengen. Wobei die Schweiz ja nun doch einem anderen Land die Armee stellt – dem Vatikan…
Aber kehren wir zu etwas Schönem zurück:
Zur Holzbrücke Bad Säckingen
Nach ersten Bestrebungen im Jahre 2004 und Verhandlungen juristischer und diplomatischer Ebene seit 2007 erfolgte anlässlich des 450-jährigen Jubiläums im Juni 2023 eine Anpassung des Grenzverlaufes zwischen Deutschland und der Schweiz. Im Staatsvertrag zwischen dem Kanton Aargau und dem Großherzogtum Baden vom 17. September 1808 war der bisherige Landesgrenze Talweg nach der Lage der Rheintiefpunkte festgelegt gewesen. Durch ständig ändernde Strömungsverhältnisse, die keine festen Vermessungspunkte zulassen, wurde die Rheinmittellinie als Staatsgrenze festgelegt. Damit verschob sich die Grenze zugunsten Deutschlands um 8,2 Meter und läuft nun statt bei Meter 102 bei Meter 110 durch die Brücke.
(Quelle: Wikipedia)
Das ist doch wunderbar und schön und ein Musterbeispiel und Gipfel der Diplomatie! Die Grenze wird neu gezogen und die Eidgenossen verzichten auf 8 Komma 2 Quadratmeter. Sie schenken sie einfach dem grossen Nachbarn, wobei das eventuell auch ein bisschen einen mitleidigen Touch haben könnte:
«Liebe BRDler, natürlich müssten wir bei einem Quadratmeterpreis in Stein am Rhein von rund 6000 Franken ca. 50000 Franken verlangen. Aber wir verzichten, wir verzichten, weil ihr ja so pleite seid, ihr habt keine Brücken und keine Bahn und keine Hallenbäder, und gar nichts, da wollen wir euch die 8 Meter einfach schenken.
In Mitteleuropa ändern sich die Grenzen. Gut, das ist jetzt ob der Kleinheit der Flächen sicher noch kein Vorbild für die grossen Konflikte der Welt. Aber es ist schön, dass man sich noch hinhocken und eine sinnvolle Lösung finden kann.
Nach dem Motto: Geht doch.
Freitag, 18. April 2025
Passions-Volksglaube
Liebe Leserin, lieber Leser, wir machen ein kleines Quiz:
Welche der Figuren kommen in der Bibel vor?
a) Pilatus b) Kaiphas c) Longinus d) Malchus e) Hannas f) Petrus g) Gestas h) Dismas) i) Simon von Kyrene j) Maria k) Veronica l) Barabas
Jetzt wird es ein wenig schwierig. Denn natürlich habe ich die Frage falsch gestellt, bis auf eine Figur erscheinen nämlich alle in den von gewohnten Texten, allerdings haben in der «offiziellen» Bibel nicht alle Namen.
Gehen wir einmal ins Detail:
Dass die quasi Hauptfiguren Hannas/Kaiphas (Hoher Rat) und Pilatus, sowie Petrus und Maria mit Namen auftauchen, erstaunt niemand.
Erstaunlicher sind die Nebenfiguren, hier sind einige mit Namen erwähnt und einige nicht. Warum, das versteht kein Mensch.
Ist nicht der Offizier, der den Erlöser durchsticht, bedeutender als der Kreuzträger? Die Evangelien geben nur Simon seinen Namen, Longinus bekommt ihn im Volksglauben, und er geht sogar in die Volkskundliche Kunstgeschichte ein: Die mit Speeren, Schwamm und Dornen geschmückten Kruzifixe nennt man «Longinus-Kreuze».
Sind nicht die beiden Verbrecher links und rechts neben Jesus viel wichtiger als der Knecht, der durch einen unbedachten Hieb sein Ohr verliert? Trotzdem sind Cosmas und Dismas in der Bibel namenlos, Malchus wird mit Namen genannt. (Und er beschert den Zuhörern der «Johannespassion» stets einen Schmunzler, da J. S. Bach sich nicht erlauben durfte, den Text zu kürzen, kommt es zur berühmten Stelle
…und der Knecht hiess Malchus… (bam – bam)
Eine Stelle, an der mindestens 10 Leute in der Kirche kichern. (Noch ein Hinweis für Nichtmusiker: «Bam – bam» meint natürlich den Quintsprung in Cello und Orgel, im Continuo, das wird nicht gesungen.)
Die einzige Figur, die in der Bibel überhaupt nicht auftritt, ist die Heilige Veronica mit ihrem Schweisstuch. Dennoch ist sie eine der meistportätierten Leute in der Story, weil es natürlich unglaublich effektvoll aussieht, wie sie mit dem Tuch mit Jesu Bild dasitzt oder dasteht.
Ein ähnliches Quiz könnte man übrigens auch mit der Weihnachtsgeschichte machen, auch hier wäre man verblüfft, welche Gestalten namenlos und anonym auftreten. Die Heiligen Drei Könige, die ja gar keine Könige sind, haben in der Bibel keine Namen, auch wenn jeder schwören würde, dass da «Kaspar, Melchior und Balthasar» steht…
Wie sind nun diese Sachen in die Bibel und an der Bibel vorbeigekommen?
Nun, Anfang des 4. Jahrhunderts ging man relativ streng über die Bücher, ja, ich meine das wirklich im Plural, nicht «das Buch», sondern wirklich die Vielfalt der Texte. Man hatte etwa 80 Texte, von denen es nur ein Drittel in die endgültige Bibel geschafft haben. Die anderen bekamen so hässliche Namen wie
apokryph
dunkel, verborgen
nicht-kanonisch
ausserkanonisch
…
Aber die Inhalte verschwanden nicht, und das ist das Erstaunliche. Die Volksfrömmigkeit hielt sich nämlich nicht an irgendwelche Vorgaben:
Der Schächer, zu dem Jesus das Wort vom «heute noch im Paradiese sein» sagt, soll keinen Namen haben? Absurd. Er heisst Dismas, wie sonst?
Der Offizier, der Jesus durchstösst und später ihn als Erlöser erkennt, war anonym? Was für ein Quatsch. Er hiess Longinus.
Veronica existierte nicht? Und wer hat ihm dann den Schweiss abgetrocknet?
Die Volksfrömmigkeit ist stur.
Manchmal wünschte man sich auch in anderen Bereichen eine solche Sturheit.
So gab es zum Beispiel sture alte Menschen in Karl-Marx-Stadt, die einfach nicht aufhörten, «Chemnitz» zu sagen, und die nach der Wende sich dann gar nicht umgewöhnen mussten.
Und die Alten, die in den 50ern die Wegwerf-Gesellschaft nicht mitmachen wollten, und verbiestert und stur Glas, Papiertüten, Gummis und andere Sachen aufhoben, obwohl alle Plastikapologeten sie als «Ewig Gestrige» beschimpften, und die in den 90ern auf einmal die fortschrittlichsten ökologischen Leute waren.
Nun noch eine Figur, die auch ihren Namen behalten durfte: Josef von Arimathäa. Jener Mann, der Jesus in sein Grab legte.
Auch wenn man sich gar nicht einig ist, wo dieses Grab ist. Es gibt eine «katholische» (Grabeskirche) und eine «evangelische» Variante (Gartengrab).
Dienstag, 15. April 2025
"Wollen" und "Werden"
Studenten des Goethe-Instituts kämpfen, sofern sie aus dem englischen Sprachraum kommen, stets mit den Verben «wollen» und «werden». Diese Biester sind nämlich das, was man in der Linguistik und Sprachdidaktik als «falsche Freunde» («false friends») bezeichnet, Wörter, die man aus der eigenen Sprache zu kennen glaubt, in der anderen etwas anderes heissen.
So heisst «I will» eben «Ich werde» und «I want» heisst «Ich will».
Es gibt also einen klaren Unterschied zwischen «wollen» und «werden». Dabei ist «werden» für den Poeten, Künstler und Philosophen die langweiligere Schwester. Das sind ja meistens einfach Tatsachen:
Morgen werden die Uhren umgestellt.
Ab Juni werden die Tage wieder kürzer.
Am Sonntag wird es regnen.
usw.
Das Wollen ist da spannender, hier geht es ja um Wille und Vorhaben, ja auch Wunsch und Vorstellung, was ich will, das muss ja nicht eintreffen, das kann auch Illusion und Utopie sein:
Mit 16, mit 16 sagte ich still
Ich will
Ich will groß sein, ich will siegen
Ich will froh sein, nie lügen
Mit 16, mit 16 sagte ich still
Ich will
Ich will alles oder nichts
Für mich soll's rote Rosen regnen
Mir sollten sämtliche Wunder begegnen
Die Welt sollte sich neu gestalten
Und ihre Sorgen für sich behalten
(so sang Hildegard Knef in ihrem legendären Chanson)
Ich will spätestens 2021 den Büchner-, spätestens 2031 den Nobelpreis erhalten haben. Leider ist die Resonanz auf meinen philosophischen Romanzyklus („Boccia um Mitternacht“, „Rousseaus Kuh“, „Nachdenken über Rolf P.“, „Gipsfabrik“) eher gering. Dies liegt wahrscheinlich weniger an der Komplexität der Themen und der an Hölderlin und George geschulten Sprache als an der Tatsache, dass ich noch keinen Verleger gefunden habe. Dies wiederum könnte zur Ursache haben, dass ich noch keine Zeile geschrieben habe…
(so formulierte ich in meinem ersten Post «Warum ein Blog?» im September 2011)
Lars Klingbeil hat nun bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages auch eine klare Ansage gemacht: Man habe deutlich geschrieben «wir werden» und «wir wollen».
Was heisst dies nun aber im Genauen?
Es gibt in dem 146 Seiten starken Papier gibt es Aussagen, die mit «wir werden» beginnen. Das betrifft nun vor allem Themen, für die Geld da ist. Nein, stopp, halt, Geld ist ja für nix da. Alles, das Gewollte und Werdende muss ja durch einen Riesenberg Schulden finanziert werden. Also ich meine Themen, für die das Geld ausgeliehen wird. Und das sind so wichtige Dinge wie Infrastruktur und Wirtschaft und Infrastruktur:
Wir werden die Industrie fördern und entlasten.
Wir werden Brücken und Strassen und Schienen bauen.
Wir werden aufrüsten.
Schwieriger wird es nun mit den tausend Dingen, für die kein Geld da ist. Nochmal stopp, Geld ist ja für nichts da, aber mit den Dingen, die nicht vom Milliardenpaket gedeckt werden. Hier steht nun das «Wollen», als frommer Wunsch, als Beteuerung, als Utopie, als Vision:
Wir wollen Kultur fördern.
Wir wollen die Umwelt schützen.
Wir wollen die Bürger entlasten.
Wir wollen…
Wir wollen…
Alles, was hier im Einhundertsechsundvierzig-Seiten-Papier mit diesem Wort verbunden wird, hat für die Bürgerinnen und Bürger die gleiche Wahrscheinlichkeit wie ein Regen von roten Rosen aus dem Himmel – oder der Nobelpreis für einen kleinen Glossisten.
Wäre es da nicht ehrlicher gewesen, zwischen «wir werden vielleicht» und «wir werden sicher» zu differenzieren?
Klar.
Aber Ehrlichkeit bringt uns ja nicht weiter.
Und «ich werde vielleicht» tönt halt so viel doofer als «ich will».
Studenten des Goethe-Instituts kämpfen, sofern sie aus dem englischen Sprachraum kommen, stets mit den Verben «wollen» und «werden». Herr Klingbeil hat gezeigt, dass er genau damit umgehen kann.
Freitag, 11. April 2025
Hans Rosenthal und ich
Wir haben uns vorletzten Dienstag mit meiner Vergangenheit beschäftigt und letzten Dienstag mit Spiel. Und nun liegt natürlich nichts näher, als dass nun auch Hans Rosenthal mit ins Spiel kommt (man verzeihe das Wortspiel).
Gut.
Das ging jetzt ein wenig zu schnell.
Also noch einmal von vorne:
Am 2. April wäre der berühmte Quiz-, Show- und Spielmaster Hans Rosenthal 100 Jahre alt geworden, das ZDF hat am letzten Montag einen wunderbaren Doku-Spielfilm ausgestrahlt, auf den ich später zu sprechen komme.
Wir alle haben «Hänschen» als Macher von «Dalli-Dalli» in Erinnerung, besser gesagt alle Boomer, jede und jeder erinnert sich doch an die herrlichen Sprüche wie «Das war Spitze!» (mit Sprung), «…ein x war doppelt, das ziehen wir ab…», «Mady, was ist das in Schilling?», Sprüche, die im Gedächtnis der Boomer nur mit Sätzen wie «Welches Schweindl hätten`s denn gern?», «Bitte noch eine Handbewegung» oder «Gehe ich recht in der Annahme…», also den Worten aus «Was bin ich?» konkurrieren.
Ich habe nun eine ganz eigene Geschichte mit Hans Rosenthal. Was nur noch Boomer wissen: Die wirklich grosse Sache von Hänschen war nicht die Show mit der Sechseck-Kulisse, das war eine Radiosendung namens «Allein gegen Alle». Ein phänomenales Ding, vor allem weil es so radiogen war und im TV nicht klappte.
In der Quizsendung trat eine einzelne Kandidatin oder ein einzelner Kandidat mit drei Fragen gegen eine ganze Stadt an, die 15 Minuten Zeit hatte, diese zu beantworten. Man beachte: das war vor Google! Es mussten nun also Leute, das speziell wissen, im Rathaus anrufen und die Antwort melden. (Interessanterweise hatten da gerade grosse Städte Probleme, da hier der Zusammenhalt nicht so funktionierte wie in einer Kleinstadt.)
Die Sendung wurde seit 1963 von allen ARD-Anstalten getragen und reihum aus den Funkhäusern live gesendet. Nun war auch am 13. 2. 1965 ein solch «Allein gegen Alle»-Abend. Sie ahnen es: Meine Mutter lag in den Wehen und mein Vater und meine beiden Omis hörten Hans Rosenthal. (Die Väter waren damals nicht dabei, das kam es viel später.) Am 14. Februar erschien dann ich – um 3.03. Welche Städte und welche Frager im Radio dran waren, war nicht mehr zu eruieren…
Da der Süddeutsche Rundfunk natürlich stets auch dran war, ging ich mit meinen Eltern immer zur Ausstrahlung des Quiz, wenn Stuttgart an die Reihe kam.
Bevor es losging, übte Hans Rosenthal mit dem Publikum das Start-Klatschen (bei grünem Licht) – welcher Showmaster würde das heute noch selber machen? Dann fing es an, Erwin Lehn intonierte mit seinem Südfunktanzorchester (so etwas gab es noch, in jeder Rundfunkanstalt!) das Motiv, das den Titel vertonte: Da daa – da di dam dam. Dann erschien eine Ansagerin, stets überaus geschminkt, hochtoupiert und im langen Kleid und sprach:
«Allein gegen Alle. Sie hören eine Gemeinschaftssendung des SDR, des SWF, des BR, des SR, des HR, des WDR, des NDR und des RIAS Berlin. Angeschlossen ist der Schweizer Telefonrundspruch. Für Musik sorgt Erwin Lehn mit seinem Südfunktanzorchester. Am Mikrophon Hans Rosenthal.»
Grüne Lampe.
Er kam.
Applaus.
Kleine Zwischenbemerkung: Ich war immer über dieses Telefonspruch-Ding erstaunt und stellte mir vor, dass die Schweizer alle am Telefon sassen, um Radio zu hören. Dies passte zu den vielen Märchen, die in der BRD über die Eidgenossen kursierten: Sämtliche Schweizer versammeln sich regelmässig zum Abstimmen, alle sprechen die 4 Landesprachen, können Käse herstellen und haben Geissen – und jodeln.
Natürlich hatten auch die Basler, Zürcher, Berner und Luzerner Radiogeräte – nur die Übertragung passierte auf weiten Strecken über Telefonleitungen, in einem bergigen Land keine blöde Idee.
Und dann kam «Dalli-Dalli».
Und es kam der 9. November 1978.
Diesem Tag widmet das ZDF (in schonungsloser Ehrlichkeit und Selbstkritik) vor allem seinen Hans Rosenthal-Film. Der Mainzer Sender brachte es nämlich fertig, die 75. Sendung der Show exakt auf den 40. Jahrestag der Pogromnacht zu legen. Und Rosenthal litt.
Was nämlich viele nicht wussten (nicht wissen wollten): Der beliebteste Quizmeister der Deutschen wäre genau von diesen fast umgebracht worden. Rosenthal war Jude und überlebte das Dritte Reich versteckt in einer Berliner Laube. Nach der furchtbaren «Dalli-Dalli»-Sendung schrieb er sein beeindruckendes Buch «Zwei Leben in Deutschland».
Als ich nun neulich sah, wie Hänschen, zwei Blumenkinder an der Hand» am 9. 11. 1978 aus der Kulisse kommt, erinnerte ich mich an diese Szene. Denn selbstverständlich hatten wir die Jubiläums-Show geguckt, wie wir alle Sendungen gesehen hatten.
Warum ich nicht protestierte? Ich war zu jung. Ich war 13.
Man kann sich nun überlegen, was der junge Mann von neulich mit den Pazifisten-Sandwiches gemacht hätte…
Wahrscheinlich hätte er den TV zum Fenster hinausgeworfen.