Dienstag, 14. Mai 2024

Südamerika (7): Die Postkarten


Ach ja, die Postkarten. Davon wollte ich Ihnen ja noch ausführlich erzählen.
Aber um gleich die brennendste Frage zu beantworten: Ein Teil der Karten ist angekommen, ein Teil nicht.
Aber noch einmal der Reihe nach:

Ich fand die Postkarten in einem der (schrecklichen) Souvenirläden, die sich in der «Villa Germanica» in Blumenau disneylandmässig aneinanderreihen. Es waren keine schöne Karten, teils sehr 80er, teils 90er, teils viergeteilt, teils mit grauslicher Schrift versehen, teils vergilbt. Aber: Es waren Karten. In einem Laden hatte mir eine Dame erklärt, dass man mit dem Handy Fotos verschicken könne, so nach dem Motto «Wer nach Postkarten fragt, der hat sicher keine Ahnung von digitaler Technik.» Was nicht stimmt, denn mit fast sämtlichen Postkarten-Empfängerinnen und Postkarten-Empfängern bin ich auch SMSig oder WhatsAppig unterwegs. Und dennoch hatten sich die Herren und Damen Karten gewünscht.
Was es in dem Laden nicht gab, waren Briefmarken.

Geschrieben wurden die Karten dann in Barra da Lagoa am Meer. Warum? Einfach, weil man für Postkarten ein bisschen Ferienstimmung und Musse braucht. Und erst an den zwei wohlverdienten zwei Tagen am Strand hatte ich das Feeling und die Konzentration. Es ist ja viel einfacher eine Urlaubskarte zu schreiben, wenn man auf dem Balkon sitzt und der Rücken schon ein wenig strandgerötet ist, wenn man die Wellen im Ohr hat und ein kühles Getränk vor sich, als wenn man im Bus oder beim Abendessen oder gar beim Einsingen schreibt.

In Barra da Lagoa also, ich schrieb die zehn (!) Karten in einem Rutsch, fünf nach Deutschland und fünf in die Schweiz, darunter eine an meinen Partner, meinen Ex-Partner und meinen Erzengel (fast hätte ich Ex-Engel geschrieben…)
Zehn Karten also, für die ich nun Briefmarken brauchte.

Die Suche nach den Briefmarken gestaltete sich noch schwieriger als die Suche nach Karten. Also, nein, eigentlich war es ganz einfach, als ich es – nach x Nachfragen in diversen Geschäften verstand: Es gibt gar keine Marken und keine Briefkästen, die Briefe und Karten werden direkt im Postamt gestempelt. Hier war aber das nächste Correo (bitte das Wort merken) 6 Kilometer entfernt.

Also nicht Barra, auch nicht Porto Alegre, es war dann schon in Uruguay.
Als wir um 19.00 in Montevideo ankamen (wegen Stunden an der Grenze, Sie erinnern sich…) glaubte ich, im grössten Glück zu sein. Die Verteilung auf die Gastfamilien war direkt neben einem riesengrossen Verkehrs- und Einkaufszentrum, dieses hatte ein Correo und jenes Correo hatte bis 20.00 auf. Ich erbat mir eine halbe Stunde von meinem Reiseleiter, und diese Frist wurde mir auch gewährt.
Aber ach!
Aber ach!
Vor dem Schalter (es gab nur einen) war eine Schlange von zehn Menschen und der Mensch am Counter schien ein echtes Problem zu haben, ich verstand zwar die Verhandlungen nicht, aber allein vom Tonfall war es Problem ähnlich einem Gebietskonflikt zwischen zwei Staaten oder einer Scheidung.
Aus der Traum. In 30 Minuten nicht zu schaffen.

Am nächsten Tag war das Programm «Stadtrundgang für die Kleinen – Treffen mit den Grossen im Park – nochmal Gruppenausgang und dann Bustransfer zum Konzertort» geplant. Beim Stadtrundgang – so dachte ich – muss man doch an einem Correo vorbeikommen.
Fehlanzeige.
Im Park dann fasste ich mir ein Herz und sprach den Chorleiter des dortigen Chores an und klagte mein Leid. Er versprach mir, meine Postkarten an einem der nächsten Tage zu einem Correo zu bringen. Ich umarmte ihn und war glücklich.
Der Treffpunkt nach dem Gruppenausgang – oh Ironie des Schicksals! oh Ironie des Schicksals! – war dann übrigens direkt vor einem Correo, aber nun hatte ich ein Postamt, aber keine Karten mehr.

So weit, so gut.
Das war am 8. April.
Am 16. April wurden dann die Karten im Correo abgestempelt.
Am 27. April erreichten drei Karten Menschen in Freiburg und Berlin.
Am 5. Mai erreichte eine Karte eine Frau in Biel (Kanton Bern).
Weitere Informationen haben wir noch nicht. Die 4 Karten nach Basel, eine Karte ins Westfälische und eine nach Sachsen sind noch ausstehend.

Es stellen sich nun mehrere Fragen:
Wieso braucht man eine Woche, um Postkarten abzustempeln? Und das frage ich jetzt rein interessemässig, gar nicht im Tonfall «diese Südamerikaner», für jeden Deutschen ist das ja verständlich, wenn man in der BRD 20 Jahre für einen Flughafen, 25 Jahre für einen Konzertsaal und 30 Jahre für einen Bahnhof braucht, dann hat man für solche kleine Schwankungen ja Verständnis.
Was hat man eine Woche lang mit den Karten gemacht? Wurden Sie irgendwelchen Geheimdiensten vorgelegt? Auf Codes untersucht? Wurden Sie kriminaltechnisch unter die Lupe genommen?
Warum reisten die Postkarten nicht gemeinsam? Wäre es nicht logisch gewesen, den ganzen Stapel per Flug zum Rhein-Main-Airport zu bringen und von dort zu verteilen?
Alle diese Fragen werden wir nicht lösen können…

Ja, die Postkarten. Bis die letzte ankommt, wird das ein Thema bleiben. Auf jeden Fall durfte ich das Wort «Correo» irgendwann nicht mehr sagen, weil meine Mitreisenden die Augen verdrehten und Stöhnanfälle bekamen.









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