Montag, 14. September 2015

Robotik III: Der Notizroboter

Da der Writing Robot WR 3p293746ss erst 2017 auf den Markt kommt, ich aber vor allem bei einer Sache Hilfe benötige, nämlich beim ständigen Verfassen von Texten, von Klausuren, Arbeitsblättern und Skripten, von Posts und Protokollen und Probenplänen, habe ich mir den von Kushimoto im letzten Jahr entwickelten Notizroboter NR 7d325765qq zugelegt.

Der NR 7d325765qq watschelt den ganzen Tag neben einem her und notiert, d.h. er hat ein zu 100% funktionierendes Spracherkennungsprogramm und wandelt dann die Sounddateien permanent in Textdateien um. Am Abend druckt er einem die Elogen eines Tages aus und überreicht sie feierlich, wodurch kein Bonmot, kein guter Satz, keine Formulierung, keine Idee verloren geht. Man ist durch den NR 7d325765qq in der gleichen Lage wie die Fürsten und Könige vergangener Zeiten, die ja auch ihre Permanentschreiber hatten, praktisch für die, die wie z.B. Carolus Magnus illiterat waren. Der Noticing Robot ist also der Eckermann unter den Maschinen.

Ich verbringe den ersten Tag mit meinem Notizdiener. Gut, es ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, wenn die ganze Zeit so ein Blechkasten neben einem sitzt, steht oder läuft, es ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, wenn man keinen Schritt machen kann, ohne dass das Ding neben einem watschelt, auch meine Schüler müssen sich erst an NR 7d325765qq gewöhnen, finden ihn aber dann „saucool“ oder „saugeil“. Am Abend bekomme ich ein 65 Seiten umfassendes Dossier. Wild stürze ich mich auf meine Ergüsse und bin so enttäuscht, dass ich den ganzen Sermon sofort entsorge: Ich habe praktisch nur Stuss geredet. Ich hatte gar nicht geahnt, welche Flut von Blödsinn, von Widersinn und Trash, welche Masse von geballtem Nonsens meine armen Eleven jeden Tag ertragen müssen. (Max Reger kommt mir in den Sinn, der einmal gesagt haben soll: „Die Stunde, die ich jetzt geben werde, möchte ich nicht bekommen.“)

Den zweiten Tag ändere ich meine Strategie: NR 7d325765qq wird nur noch angeschaltet, wenn ich wirklich etwas Hörens- und Lesenswertes zum Besten gebe, der Quatsch, den ich spontan während der Lektionen rede, fällt ebenso weg wie alle Äusserungen à la Einen doppelten Espresso bitte oder Entschuldigung, ich müsste mal durch, denn das hat das Kerlchen ja auch notiert, ganz zu schweigen von einseitigen Telefonmitschnitten. (Ja –Ja – Ja – Ja …).

Am Abend freue ich mich auf die nette böse Geschichte, die mir beim Lunch einfiel und die ich NR sofort diktiert hatte. Ich muss natürlich wissen, ob sie wirklich so gut ist, wie ich sie erinnere, vielleicht ist sie ja auch Trash wie die 65 Seiten vom Vortag. Ich lese:
Die Schwarzbäuerin trat an einem Sommermorgen …
Verdammt, da habe ich „aus“ gesagt, natürlich war der 7d325765qq so brav und hat sich abgeschaltet. Also keine Sätze mehr mit diesem Wort? Sicher nicht, stellen Sie sich vor, Paul Gerhard hätte so ein Teil gehabt, und das schöne Lied Geh aus, mein Herz und suche Freud wäre nie entstanden. Ich lese noch einmal die Gebrauchsanweisung und stelle fest, dass man Phantasiewörter eingeben kann. Gut, am nächsten Tag wird der NR bei Friebel angehen und sich bei Biff abschalten (Beide Wörter sind dem Jaberwocky aus Alice in Wonderland in der Übertragung von Christian Enzensberger entlehnt.)

Am Abend des dritten Tages halte ich nun 7 Seiten in der Hand, die ausschliesslich meine Bonmots, meine guten Formulierungen, meine lesenswerten Sätze, meine Ideen, Gedanken, mein Tageswerk enthalten.
Enthalten sollen!
Enthalten sollen!
Denn trotz strenger Auslese, trotz permanentem Friebel und Biff ist nichts darunter, was man wirklich aufgeschrieben hätte haben wollen.

Die Sache funktioniert nicht.
Ein guter Gedanke kommt zustande, indem man ihn im Hirn wälzt und ändert, ändert und wälzt und dann aufschreibt.
Ich frage mich allerdings, wieso sie beim Geheimrat geklappt hat. Oder war es vielleicht so, dass der gute Eckermann ein riesiges Schlitzohr war und beim angeblichen Notieren nur Luftbewegungen gemacht hat. Und dann Eigenes aufgeschrieben, und weil Goethe die ganze Zeit delirisch quasselte, dachte er 
Alles Vergängliche 
Ist nur ein Gleichnis
und 
Über allen Gipfeln ist Ruh
In allen Wipfeln spürest du
Kaum einen Hauch
sei von ihm. 

Also wird NR 7d325765qq entsorgt, wie auch seine Kollegen.
Vielleicht ist das eh Quatsch mit den Robots: Das wirklich Schöne will man ihnen nicht überlassen, Sachen wie Sex, Schwimmen, In-der-Sonne-Liegen, Waldspaziergänge und gutes Essen. Das wirklich Blöde KÖNNEN sie einem nicht abnehmen: Zahnarzt, EKGs, Operationen und Magenspiegelungen.
Der Rest, Dinge wie Putzen, Kommunikation, Blumen giessen und Fenster putzen kriegt man irgendwie hin.


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