Dienstag, 28. Oktober 2025

Stadtbild?

Der Bundeskanzler schafft es doch immer wieder, eine unnötige Diskussion vom Zaune zu brechen. Ich sage nur „Stadtbild“.
Stadtbild.
Die Wogen schlugen hoch, es gab Demonstrationen und Kundgebungen, bis sich Friedrich Merz dann doch entschloss, ein wenig zu präzisieren: Es geht um die Sicherheit, oder das Fehlen von Sicherheit, das man am Stadtbild erkennt. Oder eigentlich geht es um das Gefühl des Fehlens von Sicherheit. («Fragen Sie meine Töchter.»)

«Stadtbild» ist ein schwieriger Begriff.
Wenn ich durch Basel laufe, dann stören mich auch bestimmte Dinge im Stadtbild. Am meisten stören mich die riesigen Hochhäuser, die eine Schweizer Pharma-Klitsche errichten liess, aber gegen die kann ich nichts machen.
Manchmal stört mich auch die Gruppe am Claraplatz, die da fröhlich grölt und säuft, manchmal, vor allem, wenn ich daran denke, dass dort Männer ihre Söhne mitnehmen, welche lieber eine Ausbildung machen sollten, aber ich schweife ab; wenn mich diese Gruppe stört, dann kann ich einfach weggucken, was ich bei den Hochhäusern der Pharma-Klitsche nicht kann, sie sind dermassen omnipräsent, dass ein Wegschauen unmöglich ist.
Stören mich Ausländer im Stadtbild? Natürlich nicht, ich bin ja selbst einer. Die Gruppe am Claraplatz – das muss man auch einmal klar sagen – besteht praktisch nur aus Einheimischen.

Es kommt nun immer auf den Blickwinkel an. Ich habe die Frage in die Runde geworfen, ob eine Gruppe von 20jährigen Männern aus Afrika das Stadtbild stören würde. Klares Nein. Deutliches Nein. Ein Votum war: «Natürlich nicht. Wenn es Sommer ist, und sie Tanktops tragen, dann ist das doch unglaublich reizvoll.» Und dann gackerten Detlef und Jens los…Vielleicht war die Runde, in die ich die Frage warf, doch die verkehrte. Ich hätte das Thema nicht gerade in der Plüschbar «Pink Panther» ansprechen sollen.

Aber Spass beiseite.

Mit der ungeschickten und dämlichen Erwähnung seiner Töchter – Merz ist ja unglaublich stolz darauf, wieder einmal ein führender Politiker MIT Kindern zu sein – hat er doch etwas Wahres angesprochen: Es geht um die Sicherheit von Frauen. Das heisst es geht um das Gefühl der Sicherheit von Frauen.
Wir könnten ja einmal den Test machen, wir fragen die «Töchter», vielleicht auch die «Enkelinnen», vielleicht auch die «Mütter» und «Grossmütter», wo sie sich unsicher bzw. sicher fühlen:
daheim, in der eigenen Wohnung, im eigenen Bett
bei der Privataudienz bei einem männlichen Mitglied des europäischen Hochadels
im Sport-Einzeltraining in der Turnhalle
beim Heimweg durch den Park, wo zehn 40jährige Syrer stehen
nachts beim Umsteigen am Bahnhof, zehn 18jährige Afrikaner stehen
Das Gefühl der Unsicherheit wird – egal wie die Umfrage ausfällt – nicht unbedingt mit der Realität übereinstimmen. Daheim fühlt man sich natürlich sicher, obwohl doch sehr viele junge Frauen von männlichen Familienangehörigen missbraucht werden, da ist der Übeltäter sehr, sehr nahe. Der gleiche Sachverhalt trifft auch auf den Sporttrainer zu, hier denkt man, der tut einem nix, aber der Missbrauch im Sport ist noch einer der ganz grossen dunklen Sachverhalte. Und ein gekröntes Haupt? Das muss doch anständig sein, vorbildlich, ritterlich, beschützend, es muss «höflich» sein (schliesslich kommt das Wort von «Hof»). Menschen wie Prinz Andrew, der ehemalige spanische und der jetzige schwedische König zeigen, dass das eben nicht so ist.
Und die Syrer und die Afrikaner? Würde ich meine Hände ins Feuer legen? Natürlich nicht, schliesslich sind es – auch Männer. Wobei ich glaube, dass 18jährige vor toughen Frauen eine unglaubliche Angst haben.

Müssen wir also unser «Stadtbild» ändern? Alle rausschmeissen? Alle reinlassen? Wir müssen gucken, dass alle Menschen, egal woher, egal wo, egal wie, sich an die Spielregeln halten – nicht mehr und nicht weniger.

Noch eine nette Anekdote zum Abschluss: In der U-Bahn neulich in Berlin stehen junge Araber für uns drei «Alten» auf. Ohne Verzögerung, mit freundlichem Lächeln. Der eine erklärt uns (in makellosem Deutsch mit Kreuzberger Akzent), da, wo er herkomme, habe man Respekt vor dem Alter und benehme sich auch so.
Ist das jetzt gut oder schlecht? Soll er dieses prächtige Verhalten ablegen und sich «integrieren»? Denn bei uns steht man ja nicht mehr auf, er sei denn, die 90jährige mit Stock bittet flehentlich darum…



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