Dienstag, 20. Juni 2023

Die rührenden Schilder und Anzeigen

Es ist selten, dass mich Schilder oder andere Anzeigen rühren. Also «rühren» nicht im Sinne von «Suppe umrühren», sondern im Sinne von «emotional berühren», dass solche Schilder oder Anzeigen mir einen tiefen Seufzer entlocken und ich «ach…» murmele. Aber letzte Woche ist das zweimal passiert.

Ich sass im Zug von Olten nach Basel, als mein Blick auf die Anzeige auf Bildschirm oben im Gang fiel. Hier waren die Bahnhöfe, die geplanten Zeiten und die tatsächlichen Zeiten aufgelistet. Ich gebe hier nur einen Teil wieder:

Liestal / 16.50 / 16.50
Basel SBB / 17.07 / 17.07
Basel Bad. Bf. / 17.15 / 17.15
Freiburg i. Br. / 17.48 / 17.48
Offenburg / / 18.20
Baden-Baden / 18.32 / 18.37
Karlsruhe / 18.51 / 18.56
Mannheim / 19.16 / 19.21
Frankfurt a. M. / 19.58 / 19.58
usw.
usw.
usw.

Zur Erklärung: Es war schon am Bahnsteig in Olten angesagt worden, dass der Zug ausserplanmässig in Offenburg halten würde. Die dadurch entstehende Verspätung würde also bis Mannheim bleiben und zwischen Mannheim und Frankfurt aufgeholt.

Diese Anzeige erfüllte mich mit einer tiefen Rührung. Es war die Rührung, die man empfindet, wenn man Kindern zuschaut. Zum Beispiel Kindern, die versuchen, eine Taube einzufangen, und die immer wieder losrennen, losspurten und immer wieder die Taube auffliegen sehen. Oder Kindern, die versuchen, einen grossen Turm aus 40 Bauklötzen zu bauen, einen Turm, der nie zustande kommt, weil bei 25 Klötzen das Ganze kippt.
Diese Rührung empfand ich: Die Bahn plant, eine Verspätung von fünf Minuten durch einen Zusatzhalt bis zum überüberübernächsten Bahnhof aufgeholt zu haben. Ach, wie süss! Und sie tut das auch jetzt schon allen Fahrgästen kund. Goldig! Realität wird doch sein: Schon den Badischen Bahnhof wird der Zug mit 10 Minuten Verspätung verlassen haben, und diese zehn Minuten werden bis Frankfurt durch «Störungen im Betriebsablauf», «Störungen an der Bahnanlage», «Abwarten anderer Züge» und «Kühe auf den Gleisen» sich zu satten 60 Minuten addiert haben. Oder etwas weniger. Oder mehr.
Richtig wäre doch wohl die folgende Anzeige:

Liestal / 16.50 / 16.50
Basel SBB / 17.07 / 17.07
Basel Bad. Bf. / 17.15 / 17.15
Freiburg i. Br. / 17.48 / unbekannt, auf jeden Fall nach 17.48
Offenburg / / unbekannt, auf jeden Fall nach 18.20
Baden-Baden / 18.32 / unbekannt, auf jeden Fall nach 18.32
Karlsruhe / 18.51 / unbekannt, auf jeden Fall nach 18.51
usw. usw. usw.

Es ist selten, dass mich Schilder oder andere Anzeigen rühren. Also «rühren» nicht im Sinne von «Suppe umrühren», sondern im Sinne von «emotional berühren», dass solche Schilder oder Anzeigen mir einen tiefen Seufzer entlocken und ich «ach…» murmele. Aber letzte Woche ist das zweimal passiert.

Das andere Schild ist ein Schild, das am Zwingli-Haus in Basel an der Eingangstüre hängt. (Das Zwingli-Haus im Quartier Gundeldingen, ist ein Gemeindehaus-Kirchen-Bau aus den 30er Jahren.):

BITTE DEN SEITENEINGANG BENÜTZEN
(GUNDELDINGERRAIN)

Das Schild ist laminiert und vergilbt, hat eine Wollschnur zum Aufhängen und hängt dort schon gefühlte 20 Jahre. Nein, man denkt sogar, dass es seit der Einweihung 1932 an der Innenseite der Türe baumelt, aber das ist wohl nicht so, man konnte ja da nicht einfach drucken und laminieren. Aber alt ist es schon.

Und völlig überflüssig. Denn: Wie viele Menschen versuchen uneingeladen die grosse Türe im Bauhausstil (das ganze Gebäude von Kehlstadt ist Bauhaus…) zu öffnen? An den Gottesdiensten und Versammlungen und Altennachmittagen sind natürlich die Türen offen. Zu sonstigen Terminen mit Pfarrer oder Hausverwaltung geht man, wenn man abgemacht hat, und dann könnte man demder Besuchergendergapin auch sagen, dass man die Seitentüre benutzen soll.

Das Schild rührt mich, wie wenn ein Kind seinen Namen in Krakelschrift an seine Tür pinnt, damit jeder weiss «Hier wohne ich» - als ob das nicht jedermann wüsste…

Es ist selten, dass mich solche Dinge rühren. Aber letzte Woche ist das zweimal passiert.


  

 

 

 

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