Dienstag, 10. November 2020

Das Trump-Syndrom: Es darf und kann nicht sein!

Weil, so schliesst er messerscharf,
Nicht sein kann, was nicht sein darf.
C. Morgenstern

Holger trödelt wieder einmal herum. «Schatziputzi», nörgelt Marja, seine Angetraute, «beeile dich ein bisschen, wir kommen zu spät zum Bahnhof.» Holger wirft einen Blick auf die Uhr: Es ist 17.30, um 17.45 geht der Zug. «Die Uhr geht vor.» «Das ist eine nigelnagelneue Funkuhr, die geht nicht vor.» Als sie um 17.50 den Bahnhof erreichen, ist der Zug weg.

Weil, so schliesst er messerscharf,
Nicht sein kann, was nicht sein darf.

Olga steigt von der Waage. 98 Kilogramm! Das wären 20 mehr als beim letzten Wiegen – und sie hat die letzten Monate fast nichts gegessen (meint sie). Olga dreht ein wenig an der Justierung herum, schüttelt die Waage ein wenig und steigt noch einmal drauf. 98 Kilo. Olga kontrolliert die Waage noch einmal, steigt noch einmal drauf, es bleiben achtundneunzig – sie wird eine neue Waage brauchen, denn das Ergebnis kann nicht stimmen…

Weil, so schliesst er messerscharf,
Nicht sein kann, was nicht sein darf.

Marco hat sich nun schon das siebte Lineal gekauft. Im erigierten Zustand misst sein Schwanz (keine Entschuldigung für das Wort, er denkt genau das) nach diesen falschen Massgeräten 14 Zentimeter und das wäre ein Zentimeter weniger, wie Aaron behauptet zu haben. Und das kann nicht sein und darf nicht sein. Marco packt das neueste Lineal aus und macht sein bestes Stück steif. Dieses Metermass muss es nun bringen – oder Aaron lügt…

Weil, so schliesst er messerscharf,
Nicht sein kann, was nicht sein darf.

«Die Einladung bitte.» «Die habe ich vergessen, aber ich stehe auf der Liste, Dr. Klöbner.» «Ein Doktor Klöbner steht nicht auf der Liste.» «Haben Sie genau geschaut?» «Ich habe genau geschaut.» «Schauen Sie noch einmal.» (langes Rascheln, Blättern, Suchen) «Sie stehen nicht drauf.» «Rufen Sie im Sekretariat an.»

Weil, so schliesst er messerscharf,
Nicht sein kann, was nicht sein darf.

Wir leiden alle, aber auch wirklich alle unter dem Trump-Syndrom. Wenn wir Trödler sind, dann geht die Uhr vor, wenn wir zu fett sind, stimmt die Waage nicht, ist die Penislänge unkorrekt, liegt es am Lineal und stehen wir nicht auf der Einladungsliste, dann hat das Sekretariat einen Fehler gemacht.
Wir haben im Test nicht versagt, nein, der Lehrer hat falsch korrigiert. Der böseste und gemeinste Raser wird stets betonen, dass alle Radaranlagen der Polizei nicht richtig arbeiten.
Und der Fussball, ach, der Fussball!
«Wir haben 3:2 gewonnen, weil der Schiri uns einen Elfmeter gegeben hat, der uns nicht zustand, es war kein Foul.» Haben Sie diesen Satz schon einmal gehört? Sicher nicht. Ganz sicher nicht. Es ist doch so: Wenn wir gewinnen, war der Schiri professionell, fair und gerecht, wenn wir verlieren, war der Schiri unprofessionell, unfair und ungerecht, und wir haben allen Grund ihn zu beleidigen und ihm zu drohen: Schiri, wir wissen, wo dein Auto steht…

Weil, so schliesst er messerscharf,
Nicht sein kann, was nicht sein darf.

Und warum nenne ich das das Trump-Syndrom? Weil sich an Donnie das so glasklar zeigt, was bei uns allen der Fall ist: Schuld sind immer nur die anderen.
Es ist unmöglich, dass ich die Wahl verliere, also muss der Fehler im System liegen, die Briefwahlstimmen sind gefälscht, man hat mich um meinen Sieg gebracht. Nun ist es aber so:
So normal sein Verhalten auch ist, so wenig darf es ausleben, weil er in keiner normalen Situation ist. Es ist ein Unterschied, ob man schreit «Wahlbetrug» oder man es auf Twitter schreibt. Es ist ein Unterschied, ob John Mixter aus Alabama es seinen 50 Followern sagt oder der Präsident seinen Millionen. Und es ist ein Unterschied, ob die Follower einfach mitfluchen oder mit Gewehren bereit stehen.
So paradox es klingt: Wir alle dürfen unserem Trump-Syndrom frönen, nur der Namensgeber nicht.

Ich hoffe, viele Leute lesen diesen Post. Den letzten haben 8765 Leute gelesen. Natürlich gibt mir blogger.com eine viel, viel kleinere Zahl an, aber die zählen einfach falsch, die unterschlagen Klicks…

Weil, so schliesst er messerscharf,
Nicht sein kann, was nicht sein darf.











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