Dienstag, 4. Juli 2023

Entschuldigung, aber die Statussymbole...

Entschuldigen Sie, mein Herr. Excuse me, Sir. Sorry, Meneer. Scusa, Signore. Excusez-moi, Monsieur.
Ich weiss nicht, welche Sprache Sie sprechen, daher probiere ich es mal auf Deutsch.
Ich drängle mich sonst nicht so nah an Menschen vorbei, aber das musste jetzt sein, weil Sie sonst meine Statussymbole nicht bemerkt hätten.

Das Drängeln kam Ihnen deshalb komisch vor, weil in der Ersten Klasse eigentlich so viel Platz ist.
Die Erste Klasse war ja früher selber ein Statussymbol, das jetzt ja leider verkommen ist. Ja, in der guten alten Zeit vor 100 Jahren, da war die Bahnwelt noch in Ordnung. Die ganz Armen fuhren überhaupt nicht mit der Eisenbahn (wohin auch?), die untere Mittelschicht fuhr 3. Klasse (mit Holzsitzen), die obere Mittelschicht fuhr 2. Klasse und nur die wirklich Reichen fanden sich in der 1. Klasse ein.
Heute, wo Kreti und Pleti in den Waggons sitzt, ist selbst die Polsterklasse nicht mehr rein. Ich weiss, ich weiss, ich weiss, die CO2-Geschichte. Aber – nun mal ganz ehrlich gesprochen – die beste CO2-Ersparnis wäre doch, wenn die meisten Menschen zuhause bleiben würden, also vor allem die, die früher in der 3. Klasse gelandet wären.
Ist meine Meinung.

Entschuldigen Sie, mein Herr. Excuse me, Sir. Sorry, Meneer. Scusa, Signore. Excusez-moi, Monsieur.
Ich weiss nicht, welche Sprache Sie sprechen, daher probiere ich es mal auf Deutsch.
Ich drängle mich sonst nicht so nah an Menschen vorbei, aber das musste jetzt sein, weil Sie sonst meine Statussymbole nicht bemerkt hätten.

Sie haben sicher meine absolut perfekte Rasur bemerkt. Und Sie haben als Kenner sicher auch bemerkt, dass ich kein Nassrasierer bin. Eine solche Trockenrasurperfektion – das wissen Sie sicher – ist nur mit einem Tokoyondo XD-7654 zu erreichen. Wissen Sie doch, oder?
Der Tokoyondo XD-7654 ist mit seiner Hypertechnik und seinem stolzen Preis von 879,99 der absolute Rolls-Royce unter den Rasierern, mit einem Gillette® oder Braun® nicht zu vergleichen. Schon optisch nicht, aber um diesen Mega-Rasierer zu bewundern, müsste ich Sie in mein Badezimmer bitten – oder zu etwas, was den Besuch meines Badezimmers impliziert, aber das wird jetzt die totale Anmache, und so hübsch sind Sie auch nicht.

Excusez-moi, Monsieur.
Ich drängle mich sonst nicht so nah an Menschen vorbei. Aber es geht hier um Statussymbole.

Aber mein Parfüm müssen Sie doch auch riechen können, oder?
Wild Bossa Nova von Cantulli®, das ist übrigens gar nicht das teuerste Parfüm, das auf dem Markt ist. Ist natürlich ein Statussymbol, mit fast 400 Franken, ist aber im Vergleich zu Edeldüften, die in Flacons aus Diamanten und Gold kommen und damit von 100000 Dollar bis zu 1000000 Dollar reichen, eher ein Billigprodukt.
Riechen Sie die Noten von Minze, Lemon, Moschus, Oleander und Erdbeeren? Ja, das ist Wild Bossa Nova, der wohl originellste Duft von Cantulli®, jenem Mailänder Labels, bei dem auch der Florentinische, Römische und Neapolitanische Adel einkauft.

Sorry, Meneer. Ich habe mich wirklich in der leeren Ersten Klasse ziemlich an Sie rangequetscht, aber sonst hätten Sie meine Statussymbole nicht mitbekommen.

Haben Sie meine Brille bemerkt?
Nein? Du liebe Güte, wozu trage ich den eine? Denken Sie, ich hätte nicht schon an Augenlasern gedacht oder ich besässe keine Kontaktlinsen? Ich trage diese Brille, eine Bolvani Brillant®, weil sie ein Statussymbol ist, teuer wie ein Rennwagen, Gestell aus Platin, hyperentspiegelt, selbsttönend usw., eine Bolvani Brillant® wurde u.a. vom Hauptdarsteller in mehreren Bond-Filmen getragen.
Und meine Uhr bemerkten Sie auch nicht?
Und meine Krawatte?
Mein Jackett?

Excuse me, Sir. Aber ich muss mich so wüst an Ihnen vorbeidrängeln. Scusa, Signore. Aber sonst würden meine Statussymbole nicht bemerkt.

Ach…
Sie sagen, statt mich an Menschen in der leeren Ersten Klasse heranzuschubsen sollte ich meine Statussymbole einfach im Internet posten? Ein Foto von meinem Rolls-Royce-Rasierer? Vom 400 Franken teuren Flakon? Von meiner Brille? Von meinem Anzug und von meiner Uhr? So macht man das heute? Und ich könnte sogar meine Statussymbole zeigen, die Sie hier gar nicht mitbekommen? Meine 5 Millionen-Villa mit Tenniscourt, Pool und Park? Meinen Rennwagen?

Entschuldigen Sie, mein Herr. Excuse me, Sir. Sorry, Meneer. Scusa, Signore. Excusez-moi, Monsieur.
Ich weiss gar nicht, wie das geht. Ich bin ein Kind des 20. Jahrhunderts, immer noch. Sie werden es mir zeigen? Im Gegenzug nehme ich einen Abstand von 2 Metern ein – weil sie Wild Bossa Nova® nicht mehr vertragen?
Deal.

Ich weiss immer noch nicht, welche Sprache Sie eigentlich sprechen, aber:
Danke, Mein Herr.
Thank you, Sir.
Dank u wel, Meneer.
Merci, Monsieur.
Mille Grazie, Signore.

  

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