Noch einmal die Fakten: Zwei Wanderer haben im Alpstein eine dort grasende Kuh gemolken und die Milch in eine PET-Flasche gefüllt. Und sich dabei gefilmt. Und als die Bäuerin sie zur Rede stehen wollte, da waren sie schon weg.
Die Sache wurde jetzt von sämtlichen (?) Medien nach allen Seiten beleuchtet: Von einer juristischen, einer sicherheitstechnischen, einer ethischen und moralischen, usw., usw., usw. So, dass man sich ständig fragen musste: Haben wir keine anderen Probleme?
Juristisch ist die Sache völlig klar: Die Milch gehört den Wanderburschen nicht, es ist also Diebstahl. Diebstahl wie das Pflücken von Obst vom Baum am Wegesrand, wie das Mitnehmen von Kartoffeln vom Acker. Bei allen diesen Delikten, beim Fremdmelken, Unerlaubtpflücken, Kartoffelnmitgehenlassen, schreitet die Polizei normalerweise nicht ein. Sie hat nämliches wichtigere Dinge zu tun.
Nein, «Mundraub» ist das Fremdmelken nicht, auch nicht, wenn Sie die Milch sofort trinken. Auch das Pflücken nicht. Dieser Begriff ist nämlich abgeschafft. By the way: Kartoffelnmitgehenlassen konnte nie Mundraub sein, da haben sie recht. Sie mussten die Herdäpfel ja irgendwie garen…
Ein anderer Aspekt ist das Nachmachen (oder Nicht-nachmachen). In den Sozialen Medien ist es ja fast Sitte, dass sich jeder Unsinn zu einem Hype entwickelt.
Da stellt jemand ein Video auf Facebook, in dem er nachts über die Mauer des Freibades klettert und nackt im Becken badet. Und ca. 10000 Leute meinen nun, sie müssen das nachmachen und die Polizei hat alle Hände voll zu tun, die Freibäder der Nation von Nacktnachtbadern bzw. von Nachtnacktbadern zu retten.
Da stellt jemand einen Film auf Instagram, in dem sie einen Kuchen aus Mehl, gemahlenem Plastik, Öl, Zucker, zerstossene Aspirin und Hefe macht. Und 200000 Menschen backen das auch und die Kliniken sind voll mit Magenkranken.
Und jetzt hat man Angst, dass x Leute Kühe auf der Wiese melken. Insofern wird darauf hingewiesen, dass es gefährlich sein kann, ein fremdes Rind anzufassen und zu melken. Manchmal schlagen die Viecher nämlich aus, und das tut dann richtig weh, richtig.
Die Existenz solcher Warnungen zeigt, wie doof wir geworden sind. Normale Menschen haben einen gewissen Respekt vor den doch grossen und schweren Rindviechern; und die «Melker vom Alpstein» konnten offensichtlich mit Eutern umgehen (waren wahrscheinlich sogar vom Land), wenn also wirklich eine Nachahmungsgefahr besteht, ist die Gesellschaft total verblödet. Ich selbst würde um eine solche Kuh einen Bogen machen, froh, wenn sie mich in Ruhe lässt, ich würde sie nicht anfassen und nicht melken, da habe ich Angst.
Apropos: «Der Melker vom Alpstein» wäre doch ein super Krimi-Titel, aber wir wollen nicht abschweifen…
Der ethische Aspekt ist nun fast das Lustigste. Lassen wir noch einmal die Bäuerin zu Wort kommen:
«Ich war total erschüttert, als ich das sah», sagt die Bäuerin, wie ein Lokalsender berichtet. Der Vorfall sei eine «absolute Frechheit», so die Bäuerin, die anonym bleiben will. Die Touristen hätten der Kuh «respektlos ans Euter» gefasst.
Das hat nun leicht einen Touch von #metoo. Bei aller Ehrfurcht vor aller Kreatur: Ich würde einen Unterschied zwischen dem Berühren des Busens meiner Bürokollegin und einem Kuheuter. Wie fasst man denn ein Euter respektvoll an? Muss man die Kuh fragen und dann auf ein «ja» warten? Vielleicht war das Rind ja auch eine Performancekünstlerin, die, so wie in den 60er Jahren Wally Export in der Aktion «Tapp- und Tastkino» ihren Busen in einer umgeschnallten Kiste 12 Sekunden zum Begrapschen freigab, ihr Euter als Happening frei präsentierte?
Ganz viele Kühe werden übrigens gar nicht mehr von Menschen, sondern von Melkmaschinen oder von Melkrobotern gemolken.
Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Fassen die Melkroboter und die Melkmaschinen die Rinder mit dem nötigen Respekt an? Da hätte ich doch meine Zweifel. Oder ist es nicht sogar so, dass einer Kuh ein fremder Melker, also ein Fremdmelker, der immerhin doch ein Mensch ist, immer noch lieber als ein Roboter?
Hierzu müssten wir jetzt – wie zu vielen Fragen – die Rinder vernehmen.
Zwei Wanderer haben im Alpstein eine dort grasende Kuh gemolken und die Milch in eine PET-Flasche gefüllt.
Und damit eine Todsünde begangen.
Hoffentlich haben die Typen wenigstens die PET-Flasche korrekt entsorgt. Dann gibt es nur Fegefeuer und nicht gleich die Hölle.
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