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Wenn Sie sich bei der Überschrift gefragt haben, was sie soll, dann sind Sie nicht in Deutschland zuhause.
Vielleicht haben Sie gedacht, G8 oder G9, das heisst doch G7 oder G20, diese Treffen von wichtigen Leuten, die viel kosten und überhaupt nichts bringen.
Vielleicht dachten Sie aber auch geschwind an Schach, aber auch nur dann, wenn Sie überhaupt kein Schachspieler sind, denn ein Feld G9 gibt es nicht, es geht auf 64 Feldern von A1 bis H8.
Nein, wenn Sie nicht aus Deutschland sind, haben Sie eventuell überlegt, wenn Sie aber aus diesem Staate kommen, dann wissen Sie sicher, wovon hier die Rede sein wird.
G8 meint das achtjährige, G9 meint das neunjährige Gymnasium. Und es tobt ein Kampf in deutschen Landen, welche Form nun die richtige sein soll. Einige Bundesländer haben G8 gleich auf der Seite gelassen, einige Bundesländer haben G8 ausprobiert und sind reumütig zu G9 wieder zurückgekehrt, einige Bundesländer halten verbissen am G8 fest.
Es stellt sich ja nun die Frage, warum man überhaupt die Schulzeit verkürzen muss.
Natürlich, wenn man einen IQ von 210 hat, dann wäre man gelangweilt, wenn die Schule zu lange dauert, aber um solche Einsteins, Fauste, da Vincis und Hegels geht es nicht, denn solche Einsteins, Fauste, da Vincis und Hegels konnten immer (ich betone: immer) schon ihre Schulzeit durch Überspringen von Schuljahren verkürzen.
Vielleicht geht es darum, früher in die Karriere einzusteigen. Das könnte für Ökonomen oder Techniker bedeuten: Mit 17 Abi, mit 22 Master, mit 25 Promotion, mit 29 CEO. Das würde aber für Geisteswissenschaftler heissen: Mit 17 Abi, mit 22 Master, mit 25 Promotion, mit 26 jobben. Ob der Kunsthistoriker nun mit 26 oder erst mit 32 Luftballons verkauft, ob die Assyriologin mit 26 oder erst mit 32 in der Boutique steht oder ob der Musikwissenschaftler schon mit 26 bei McDonald's ® an der Kasse steht, oder erst später, das spielt überhaupt keine Rolle…
Eigentlich müsste ja die Schulzeit verlängert und nicht verkürzt werden, denn das Wissen hat sich ja vermehrt und nicht verkleinert. Als ich zur Schule ging, war der Umgang mit dem Internet kein Thema, denn es existierte noch nicht. Die Geschichte endete in den 70er Jahren und ein Atom bestand aus einem Kern und den Elektronen, die um diesen Kern herumrasen. Heute ist die gesamte IT und der Umgang mit Medien meist ein eigenes Fach, die Historiker müssen sich noch mit der Wiedervereinigung herumschlagen und ein Atom besteht aus tausenden Arten von Elementarteilchen.
Nein, man müsste angesichts dieser Stofffülle das G10 oder G11 einführen – was ja einige meiner Mitschüler (ja, es waren vor allem männliche Wesen) schon damals taten: Durch Repetition bestimmter Abschnitte (auf Deutsch: Sitzenbleiben) konnte man damals rein juristisch die Gymnasialzeit auf G13 verlängern (man durfte einmal in der Unterstufe, einmal in der Mittelstufe, einmal die Elfte Klasse und einmal in der Reformierten Oberstufe wiederholen. Auch wenn einem nach dem zweiten Mal Hockenbleiben natürlich dringend, dringend, dringend geraten wurde, eine Lehre zu machen, per Gesetz war es drin. Ein späteingeschulter Abiturient konnte also schon 25 sein, ein Alter, in dem man heutzutage ja schon die Promotion haben sollte…
Es tobt ein Kampf in deutschen Landen, welche Form nun die richtige sein soll. Einige Bundesländer haben G8 gleich auf der Seite gelassen, einige Bundesländer haben G8 ausprobiert und sind reumütig zu G9 wieder zurückgekehrt, einige Bundesländer halten verbissen am G8 fest.
Wie kommt man aus dem Dilemma heraus?
Nun.
Alle Fächer müssten natürlich gewaltig entschlackt werden. Es ist ja die Frage, ob man noch AUSWENDIG lernen muss, wenn das reine Wissen jederzeit auf dem Handy, auf der Armbanduhr und bald auch in der Brille abrufbar sein werden. Die Hauptstadt von Ternikistan? Ein Klick. Die Lebensdaten von Zacharias Brehms? Ein Klick. Aber hier hält jeder Fachbereich an seinem Kanon fest, und er verteidigt ihn mit Zähnen und Klauen. Hauptstädte? Nicht wichtig, sagt der Kulturhistoriker, aber natürlich die Lebensdaten grosser Künstler! Lebensdaten grosser Künstler? Nicht wichtig, sagt der Geograph, aber natürlich die Hauptstädte!
Ich habe neulich einen Text gefunden, der sich wunderbar als Lehrplan für eine verkürzte Schulzeit eignen würde, hier könnten übrigens auch die Quereinsteiger (wir haben darüber gepostet) locker mithalten:
Der liebe Gott sieht alles.
Man spart für den Fall des Falles.
Die werden nichts, die nichts taugen.
Schmökern ist schlecht für die Augen.
Kohlentragen stärkt die Glieder.
Die schöne Kinderzeit, die kommt nicht wieder.
Man lacht nicht über ein Gebrechen.
Du sollst Erwachsenen nicht widersprechen.
Man greift nicht zuerst in die Schüssel bei Tisch.
Sonntagsspaziergang macht frisch.
Süßigkeiten sind für den Körper nicht nötig.
Kartoffeln sind gesund.
Ein Kind hält den Mund.
Mit diesen einfachen Lerninhalten könnte man auf ein G3 oder G4 kommen.
P.S. Das Gedicht heisst «Was ein Kind gesagt bekommt», Brecht 1937
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