Dienstag, 28. März 2023

Aufpassen!

IdidZl
Aufgepasst! Aufgepasst! Passen Sie auf? Ja? Passen Sie jetzt gerade auf? Aufgepasst!

Ich erinnere mich dunkel an eine wunderbare Stelle in einem Kinderbuch, in dem ein Mädchen namens Trixie zum ersten Male allein zur Oma fährt:
«Gute Reise», sagte der Vater, «und pass auf!» Das war unnötig, denn Trixie passte immer auf. Allerdings nicht immer so, wie der Vater das meinte. Neulich hatte sie eine wunderschöne rote Blume gefunden, einmal ein Zwei-D-Mark-Stück und einmal eine herrenlose Katze.

Aufgepasst!
Passen Sie auf? Passen Sie auf! Zahlen Sie Aufmerksamkeit (wie der Brite sagen würde…)

Wenn wir von «aufpassen» reden, beinhaltet das ja stets mehr, als nur Sachverhalte sinnlich und geistig wahrzunehmen. Stellen Sie sich vor, dass Sie bei mir zum Frühstück eingeladen sind. Und stellen Sie sich weiter vor, dass, als gerade die Eier im Topf sind, das Telefon klingelt. Also sage ich zu Ihnen: «Können Sie gerade mal auf die Eier aufpassen?»
Was tun Sie jetzt?
Vielleicht haben Sie sich, wenn ich wiederkomme, den genauen Zeitpunkt des Siedens gemerkt und verkünden stolz: «Die Eier kochen seit 9 Uhr 45 und 30 Sekunden.»
Das war aber nicht das, was ich mit «aufpassen» meinte. Denn inzwischen ist es 10 Uhr und die Hühnerprodukte steinhart. Ich hatte natürlich gemeint, dass Sie – auch wenn das nicht explizit gesagt wurde – die Zeit stoppen und die Eier nach 3 ½ Minuten herausnehmen.

Aufgepasst! Zahlen Sie Aufmerksamkeit!
Haben Sie den Überblick?

Überblick und Aufsicht sind ja auch so zwei Dinge. Eigentlich sogar fast Synonyme. Wenn ich «auf» etwas sehe, dann «überblicke» ich es auch.
In den meisten Schulen war früher der Schreibtisch des Rektors so gestellt, dass er auf den Pausenhof sah und damit den Überblick hatte. Und oft notierten die Rektoren (ja, damals war das meist die männliche Form) das, was sie dort sahen:
8. 13 Ein Drittklässler kommt zu spät
8. 30 Zwei Viertklässler rauchen heimlich in der Ecke
8. 32 Eine Zweitklässlerin wirft Papier auf den Boden
8. 50 Dr. Hempel kommt (schon wieder!) zu spät
Was taten sie aber dann mit den Infos? Hoffentlich taten sie alles, um die Missstände zu beheben. Wenn nicht, wären sie jämmerlich schlechte Schulleiter gewesen…

Aufgepasst!
Passen Sie auf? Passen Sie auf!
Zahlen Sie Aufmerksamkeit? Zahlen Sie Aufmerksamkeit!
Haben Sie den Überblick? Sie haben die Aufsicht!

So lustig uns Trixie vorkommt, die eine Katze sieht, aber vielleicht den falschen Zug nimmt, so abstrus es uns anmutet, wenn man den Siedezeitpunkt weiss, aber die Eier nicht aus dem Wasser nimmt, so blöde wir einen Rektor finden, der alles sieht, aber nix tut, so schrecklich muss uns doch nun die Rolle diverser Aufsichtsgremien vorkommen.
Wir erinnern uns:
Vorige Woche wurde die zweitgrösste Schweizer Bank, die CS, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion gerettet, um nicht eine nationale (und globale) Bankenkrise auszulösen.
Hatte da niemand die Aufsicht? Niemand den Überblick? Passte niemand auf?

Eine Bank ist eigentlich in doppelter Hinsicht abgesichert: Einerseits gibt es ein Aufsichts-Gremium (das die Deutschen Aufsichtsrat, die Schweizer aber Verwaltungsrat nennen). Die Mitglieder sind alles Fachleute, hochkompetent und exorbitant (ja, ja, ja, ja, jetzt muss das Wort wieder her…) bezahlt und sollten wachen. Über diesen und über allen Banken gibt es dann noch eine staatliche Bankenaufsicht, auch sie zusammengesetzt aus Fachleuten, hochkompetent und höchstbezahlt. Alle diese Leute übten ihr Amt nun nach der Eierkoch-Methode aus:

Die CS steht vor Gericht.
Die Überblicks-Gremien notieren:
«Die CS steht vor Gericht.»
Die CS macht Verlust.
Die Überblicks-Gremien notieren:
«Die CS macht Verlust.»

Alle Probleme, die nun zu einer Hauruck-Aktion und dem exorbitanten (es geht nicht ohne…) Einsatz von Steuergeldern führten, waren bekannt. Und wurden bemerkt.
Und niemand tat etwas…

«Gute Reise», sagte der Vater, «und pass auf!» Das war unnötig, denn Trixie passte immer auf. Allerdings nicht immer so, wie der Vater das meinte. Neulich hatte sie eine wunderschöne rote Blume gefunden, einmal ein Zwei-D-Mark-Stück und einmal eine herrenlose Katze.
Man kann nur hoffen, dass Trixie heute freischaffende Malerin oder Musikerin ist und nicht etwa als Ökonomin oder Juristin in einem Verwaltungs- oder Aufsichtsrat.







     

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