Ich habe neulich von meiner Sprüchewand geschrieben. Die Sprüchewand, die mich immer begleitete und die in der neuen Wohnung keinen Platz hat. Ich möchte in den nächsten Posts die 12 (heilige Zahl) schönsten Sprüche vorstellen und kurz darüber nachdenken.
Und los geht`s:
Wo warst du denn!? Ja, nee, Entschuldigung, mein Flurspiegel hat mich nicht vorbeigelassen.
Susanne Betancor, Damenbart
Wunderbar, wie die Autorin und Kabarettistin Betancourt (die übrigens als Schriftstellerin «Susanne» und als Kabarettistin «Popette» heisst) in ihrem Roman, in dem eine Frau mit ihrer Oberlippenbehaarung kämpft, eine Sache auf den Punkt bringt, die wir alle kennen: Wir sind spät dran, wir sollten schnell aus dem Haus, aber wir können nicht anders, wir werfen einen Blick in den Spiegel. Und da sehen wir es: Unsere Jacke hat einen Fleck, wir sind schlecht rasiert, die Haare sind nicht gekämmt, das Hemd passt nicht zum Schal und die Schuhe sind von zwei verschiedenen Paaren. Und weil unsere Jacke einen Fleck hat, wir schlecht rasiert sind, die Haare nicht gekämmt sind, das Hemd nicht zum Schal passt und die Schuhe von zwei verschiedenen Paaren sind, müssen wir sehr viel ändern und werden uns stark, stark, sehr stark verspäten.
Sie wollte jetzt vor allem Alkohol.
Und fettes, ungesundes Essen.
Und von allem viel.
Pia Frankenberg, Klara oder die Liebe zum Zoo
Herrlich nicht? Gibt das nicht wunderbar das Gefühl wieder, das wir manchmal an einem Abend haben, einem Abend nach einem Tag, an dem so alles schiefgelaufen ist. Ein Tag, der uns unsere Grenzen aufgezeigt hat und uns unsere Mitmenschen als Halbgötter dargestellt hat. Klara – die Heldin des wunderbaren Buches – bekommt nichts auf die Reihe, an diesem Tag ist sie am Besuch im College ihres Sohnes gescheitert, während alle anderen Frauen die perfekten amerikanischen Mütter waren. Das ist ja auch noch das Schöne: Das spielt in Amerika, wo Alkohol und fettes Essen ja so verpönt wie Heroin sind.
Schade, dass Frankenberg so wenig schreibt – gut, als Penaten®-Erbin muss man das ja auch nicht…
Weisst du was?
Auf dem Sterbebett wünscht sich niemand, er hätte mehr Zeit im Büro verbracht.
Graeme Simsion, Der Rosie-Effekt
Auch das ein wunderbarer Satz. Ich weiss nicht mehr, in welchem Zusammenhang er in dem reizenden Buch über die grosse Liebe eines Asperger-Nerds vorkommt, aber ich denke, er ist nur allzu wahr.
Ich diskutiere immer wieder mit Jugendlichen, die bei der KKB ein Probenlager oder eine Tournee verpassen wollen, um bessere Schulnoten zu haben. Meist sind das natürlich junge Männer, bei denen die Versetzung in keinster Weise gefährdet ist und auch die Matura so gut wie in der Tasche. Es wird halt, wenn man mit zum Proben ins Wallis kommt UND auf die Reise nach Honolulu, nur die elftbeste und nicht die zweitbeste Matura der Schule. Aber ich stelle den Jungs dann immer die eine Frage: «Woran wirst du dich in dreissig Jahren erinnern?»
Das gilt genauso für den Job. Wenn das Leben zu Ende geht, werden wir an Freundschaften denken, an Feste, an Reisen, wir werden uns an schöne Momente, an helle Himmel und klare Nächte, die wenigsten werden denken: «Ich hatte so einen tolles Büro, schade, dass ich ab 65 nicht mehr arbeiten durfte.»
Lassen wir also nicht zu, dass uns die Arbeit auffrisst.
Mein schriftstellerischer Albtraum wäre es, in einer Buchhandlung ein Buch mit dem Titel „Trost bei Dürrenmatt“ zu finden.
Dürrenmatt im Gespräch mit H. L. Arnold 1975
Herrlich, wie der alte Zyniker und Bärbeisser hier eine Sache auf den Punkt bringt. Nein, Dürrenmatt, der in der Vorrede zu den Physikern schreibt: «Eine Geschichte ist dann zu Ende erzählt, wenn sie ihr schlimmstes Ende genommen hat.», will sicher nicht als Trostspender verstanden werden.
Was nicht heisst, dass Dürrenmatt im Privaten ein bösartiger Mensch war – und vielleicht haben die vielen Leute, die er zum Essen einlud, für die er seinen Weinkeller plünderte und um 2.00 nachts noch Knoblauchsuppe kochte, ein wenig Freude und damit auch ein wenig Trost gefunden. Aber eben in seinen Suppen und nicht in seinen Büchern.
Am Dienstag mehr...
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