Freitag, 13. Mai 2022

Macht der Gegenstand dich glücklich?

Ich bin gerade in meiner Küche und versuche eine Sauce Bolognese zuzubereiten. Dabei stehe ich nun vor einer grossen Schwierigkeit; ich komme gerade nicht mehr weiter.
Man muss jetzt dazusagen, dass ich, bevor ich ans Andünsten von Zwiebeln und Knoblauch gehe, alle anderen Zutaten schon öffne. Einerseits verleiht mir die Reihe von geöffneten Dosen, Gläsern ohne Deckel, entkorkter Rotweinflasche und paratem Hackfleisch die Aura eines Fernsehkochs, ich möchte ständig in eine unsichtbare Kamera «…und jetzt nehmen wir noch…» sagen, andererseits ist es einfach praktisch.
Nun stehe ich also da, die Zwiebeln und der Knoblauch sind gehackt, die Sugogläser ohne Deckel, der Rotwein ist offen und das Fleisch bereit, aber die Dosen machen mir Probleme. Ich habe keinen Dosenöffner mehr. Und in den Dosen sind die gehackten Tomaten. Warum ich keinen Dosenöffner mehr habe, erkläre ich unten.

Gestern gab es schon eine ähnliche Situation. Ich setzte mich ans Klavier und wollte eine Haydn-Sonatine üben, aber mein Anschlag klapperte, also nicht im Sinne von «nicht zusammen», sondern im Sinne von Geklapper – meine Fingernägel waren zu lang. Und – Sie ahnen es längst – ich hatte keine Nagelschere. Also musste ich erst hinsetzen und meine Nägel abkauen, dabei hoffen, dass nicht der Struwwelpeter-Schneider kommt und mir die Daumen abschneidet, natürlich werden Konrad die Daumen abgeschnitten, weil er diese lutscht, aber könnte der zwischen Daumennägelabkauen und Daumenlutschen unterscheiden? Er kam nicht und ich konnte mit gekauten Nägeln (ich kriege das erstaunlich präzise hin) endlich Hoboken XVI:6 üben. Warum ich keine Nagelschere mehr habe, erkläre ich bald.

Vorgestern wollte ich etwas aus einem Kellerraum holen, der seit einiger Zeit kein Licht mehr hat. Und ich habe keine Taschenlampe mehr. Da sich in diesem Raum Streichhölzer und Feuerzeug verbaten, es befinden sich brennbare Sachen dort, musste ich einfach hinein und wie ein Blinder mich vortasten. Es gelang mir tatsächlich nach 75 Minuten den betreffenden Gegenstand zu erfühlen. Warum ich keine Taschenlampe mehr habe, erkläre ich Ihnen jetzt.
Ich erkläre natürlich auch, warum ich keinen Dosenöffner und keine Nagelschere habe.

Ich habe neulich nach der AmokRin®-Methode aufgeräumt. Die AmokRin®-Methode setzt auf konsequentes Aufräumen, Entschlacken, Ausmisten und Ordnen um wieder ein glückliches und zufriedenes Leben zu führen. Dabei spielt eine Frage eine zentrale Rolle:
Macht dieser Gegenstand dich glücklich?
Tja, macht mich ein Dosenöffner glücklich? Wahrscheinlich nicht.
Erzeugt eine Nagelschere Glücksgefühle? Eher nicht.
Erfüllt eine Taschenlampe mich mit Wonne? Keineswegs.

Und so verschwanden der Dosenöffner, der mich nicht glücklich machte, die Nagelschere, die keine Glücksgefühle erzeugte und die Taschenlampe, die mich nicht mit Wonne erfüllte, aus meinem Haushalt.
Was blieb, sind meine 10 Badehosen, denn die dunkelblaue, die hellblaue, die gelbe, die rosa (!), die rote, die hellgrüne, die dunkelgrüne, die schwarze, die gestreifte und die karierte, sie alle erfüllten mich mit Wonne, erzeugten Glücksgefühle und machten mich glücklich.

Ich denke, die AmokRin®-Menschen müssten völlig neue Kategorien einführen. Hier mein Vorschlag:

Nutzen
Haben Sie einen Klo-Reiniger-Stopfer? Oder wie die heissen… Sie wissen schon, so ein Ding mit einem Holzstiel und einem roten Gummi. Eifrige STERN-Leser kennen ihn auch aus den Cartoons von Tetsche, da ist nämlich jedes Mal ein solches Ding und ein Spiegelei versteckt. Jedenfalls, ein Stopfer macht nicht glücklich, sieht nicht schön aus, ist stets im Weg, aber wenn das Klo am Überlaufen ist, ist man sehr, sehr, sehr, sehr, sehr froh, einen zu haben.

«Erbtanten-Geschenke»
Der Zinnteller mit Waldvogel-Motiven macht einen nicht glücklich, und er hat auch keinen Nutzen. Aber er muss immer wieder aufgehängt werden, wenn Tante Eusebia kommt. Denn die Frage: «WO IST DER ZINNTELLER, DEN ICH DIR GESCHENKT HABE?» könnte, wenn die Antwort «Müllkippe» lautet, einen um 100000.-- Sfr. bringen. Und das wäre doch schade.

Dinge, die man wieder brauchen wird, wenn sie weg sind.
Ich hatte 2008 zur EM ein Projekt mit allen Nationalhymnen gemacht. (Also aufgeführt, mit dem Jugendblasorchester) Als ich 2018 das ganze Material endlich entsorgt hatte, weil ich es nie wieder brauchte, rief ein Kollege an, ich hätte doch haufenweise Zeug zum Thema Hymnen…
Es gilt die Regel: Eine Woche, nachdem wir einen Gegenstand weggeschmissen haben, bräuchten wir ihn dringend.

Glück
Ja, gut, meinetwegen dann auch das. Nur, dass bei einem zwanghaften Sammeltypen die Methode nicht funktioniert, jedes seiner Sammelstücke macht ihn glücklich.

So, so viel für heute.
Jetzt gehe ich ins Kaufhaus und kaufe einen Dosenöffner.
Und eine Nagelschere.
Und eine Taschenlampe.



 

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen