Dienstag, 10. Mai 2022

Das ZEIT-Rätsel

Machen Sie auch gelegentlich das Rätsel in der ZEIT? Ich kenne Leute, die machen das jeden Tag. Es sind immer acht Fragen, immer drei Lösungen zur Auswahl. Und immer aktuelle Fragen, also nichts, was man in der Schule gelernt hat.
Natürlich könnte man alles parallel googeln, man ist ja eh online, aber irgendwie macht das wohl niemand, es wäre auch idiotisch, da es nichts zu gewinnen gibt.

Die Fragen lassen sich in drei Kategorien einteilen.

Da ist zunächst die Frage, die man weiss, weil man Tagesschau oder heute oder 10 vor 10 geguckt hat. Oder Nachrichten in SWR oder NDR oder SRF oder einem anderen Sender gehört hat. Da weiss man, wie die neue Familienministerin der BRD heisst, wer Twitter kaufen will oder wer die SPD illegal ausspioniert hat. (Damit Sie sich jetzt nicht durch Nachhirnen ablenken: Paus, Musk, Adenauer.)

Dann gibt es die Fragen, bei denen man nur raten kann. Für mich sind das die Sportfragen. Die kann ich nicht wissen und will ich nicht wissen und möchte ich nicht wissen und muss ich nicht wissen, aber obwohl ich den z.B. Trainer vom FC Kopenhagen nicht wissen kann, nicht wissen muss, nicht wissen möchte und nicht wissen will, rate ich doch meistens gerade bei diesen Fragen richtig. Erstaunlicherweise. (Nein, bitte weiterlesen und nicht nachdenken, der Trainer heisst Jess Thorup.)

Dann gibt es die Schätzfragen, und bei diesen Schätzfragen kommt meist ein wenig ein kleiner moralischer Zeigefinger hinzu, die die Macher des Rätsels uns entgegenstrecken wollen. Nach dem Motto: Oh, oh, oh, so viel (oder so wenig), da müssen wir etwas machen, etwas tun, etwas unternehmen. Deshalb nimmt man hier immer den höchsten (oder niedrigsten Wert).
Z.B.: Wie viel Elektroschrott gibt es in Deutschland jährlich?
700000 Tonnen?
1 Million Tonnen?
1,8 Millionen Tonnen?
Es sind natürlich Eins Komma Acht Millionen Tonnen.

Nun wird es aber lustig.
Es kommt die Auswertung.
Und die Auswertung ist der reine Quatsch. Denn die ZEIT vergleicht Sie mit dem Durchschnitt der Spieler, die bis jetzt teilgenommen haben und zeigt Ihnen ein lachendes oder weinendes Gesicht und die Schriftzüge ZIEMLICH GUT oder SCHADE.
Auf Deutsch:
Sie haben nur 4 Punkte von acht, sind eigentlich sehr unzufrieden mit sich, weil sie ja immerhin die Hälfte falsch haben, darunter so einfache Fragen wie die nach dem Gottesdienst, bei dem der Bürgermeister von Melitopol in der ersten Reihe sass (war Petersdom…). Dennoch bekommen Sie ein ZIEMLICH GUT und ein lachendes Gesicht. Denn der Schnitt ist 3,9.
Oder:
Sie haben 7 Punkte von acht, sind sehr zufrieden, sie waren gut, waren spitze (Rosenthal hüpft in Ihrem Kopf – also, wenn Sie über 50 sind und DALLI-DALLI geguckt haben…) und dann bekommen sie ein SCHADE und den Weinkopf, denn der Schnitt der anderen Spieler ist 7,1.

Hinzu kommt natürlich ein anderes Problem: Wann lösen Sie das Rätsel? Ich löse es oft im Zug zur Arbeit, das heisst konkret um ca. 6.15, also sehr früh am Morgen. Wie viele Menschen haben um die Uhrzeit das ZEIT-Rätsel überhaupt gemacht? Ist diese komische Zahl überhaupt in irgendeiner Weise repräsentativ?

Gäbe es eigentlich eine normierte Skala, aufgrund der man SCHADE und ZIEMLICH GUT verteilen könnte? Das wäre doch spannend. Aber geht das? Könnte man zum Beispiel sagen, was eine leichte Frage und was eine schwere Frage ist? Oder ist das total subjektiv? Könnte man postulieren, dass eine Antwort, die in der Tagesschau oder in heute oder in 10 vor 10 oder in den Nachrichten vom SWR oder NDR oder SRF oder einem anderen Sender beantwortet wurde, eine leichte Frage impliziert? Und das umgekehrt eine Antwort, die nur in der Tagesschau und nicht in heute oder in 10 vor 10 oder in den Nachrichten vom SWR oder NDR oder SRF oder einem anderen Sender beantwortet wurde, eine schwere Frage anzeigt?
Gibt es absolute Schwierigkeit?

Muss es aber doch geben, denn die Schulen machen uns das ja die ganze Zeit weis. Da wird ja auch nicht der Schnitt der Klasse genommen, sondern ein absoluter Massstab angelegt. Und wenn der Schnitt unter «genügend» ist, dann war der Test nicht zu schwer, sondern die Klasse ist zu doof…

Machen Sie auch gelegentlich das Rätsel in der ZEIT? Ich kenne Leute, die machen das jeden Tag. Und trotz der komischen Verteilung von SCHADE und ZIEMLICH GUT macht es Spass.

Übrigens:
Machen Sie das Rätsel doch zweimal.
Beim 2. Durchgang sollten Sie 8 Punkte von 8 haben, denn die richtige Antwort wird ja je sofort angezeigt. Wenn nicht, suchen Sie einen guten Neurologen auf. Das röche nach Demenz.





 

 

 

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