Zurzeit nehme ich den 6.28 auf Gleis 12 nach Milano. Nicht, dass ich nach Mailand wöllte, ich will nur nach Olten, aber es gibt Leute im Zug, die nach Italien wollen. (Es ist übrigens nicht die Gotthardstrecke, sondern die Simplonstrecke über Bern und Brig und Domodossola.) Diesen Leuten muss man mitteilen, dass die Einreise nach Italien erschwert ist und was sie vor dem und beim Grenzübertritt machen sollen.
Dies wird ihnen einmal bis zweimal die Woche von einem wunderbaren innerschweizer Zugchef verkündet, er tut das in Deutsch (mit innerschweizer Akzent), in Italienisch (mit innerschweizer Tonfall) und in Englisch (mit innerschweizer Färbung). Abgesehen davon, dass es erstaunt, dass erstaunlicherweise nicht auch Französisch drankommt, erstaunt ein erstaunlicher Fehler im Englischen:
www – point – sbb – point – ch
Nun ist es erstaunlich – und ich verwende das Wort jetzt zum letzten Mal – dass das Englische so viele Wörter für das deutsche Punkt kennt, Während man bei einem Wettbewerb jemand points gibt, würde man bei einem Gesprächs- oder Themenpunkt eher von item sprechen. Nach einem Satz setzt man weder einen item oder point, sondern einen full stop. Und hier, bei unserer Ansage ist weder points noch item noch full stop richtig, sondern dot.
Jedenfalls ist das Gelächter in meinem Umfeld jedes Mal richtig gross. Und während wir uns mal wieder auf die Schenkel hauen, auf dem Boden wälzen und grölen, fange ich an, mir während des Schenkelhauens, des Bodenwälzens und des Grölens die folgende Sache zu überlegen:
Es gibt nur drei Möglichkeiten: a) Jemand hat es dem innerschweizer Schaffner gesagt, und er hat es nicht kapiert. b) Jemand hat es dem innerschweizer Schaffner gesagt, und es ist ihm wurscht. c) Niemand hat es dem innerschweizer Schaffner gesagt.
zu a)
Halte ich für unwahrscheinlich. Denn inzwischen erhalten die Kondukteurinnen und Kondukteure eine richtig gute Ausbildung. Der Job bei der SBB (oder der ÖBB oder DB oder einer anderen Zuggesellschaft…) ist keine Domäne für Dumme mehr. War es doch. Bei uns hiess es früher:
Wär nex isch und wer nex kaa
Goot zur Poschd und Eysebaa
Und wär gar nex wird
wird
Wirt.
Nein, ich denke, der Unterschied zwischen dot, point, item und full stop ist für einen Schaffner oder eine Schaffnerin verstehbar.
zu b)
Halte ich für wahrscheinlicher. Es ist ja nun so, dass sich so viele falsche Ausdrücke und Wörter eingebürgert haben, weil die ersten, die sie benutzten, es falsch taten, und es ihnen egal war, wenn sie korrigiert wurden. Als am Anfang der Ausdruck ein Taliban auftauchte, wurde von arabischen Muttersprachlern und Islamwissenschaftlern noch moniert, dass Taliban der Plural und Talib der Singular sei, den Journalisten war es schlicht und einfach wurscht. Ganz egal.
Ich habe in einer Arztpraxis einmal moniert, dass das Schild
BITTE GLEICH BEIM ANMELDEN, WENN MAN DAS HAUSARTZT-MODELL HAT.
ein T zu viel habe. Die Antwort war, das Schild hinge schon so lange und niemand habe etwas gesagt (!!!), und jetzt werde man auch nix mehr ändern…
zu c)
Das ist das Wahrscheinlichste.
Und das ist jetzt richtig doof.
Denn wäre es nicht netter, wir würden dem armen innerschweizer Zugchef sagen, was er falsch macht, anstatt jedes Mal zu lachen? Es ist doch ziemlich grausam, wenn man so einen armen Teufel jeden Tag in sein Unglück rennen lässt.
Stellen Sie sich vor, ihr Boss sagt ihnen im MAG: „Das machst du übrigens seit 5 Jahren falsch und es stört mich seit 5 Jahren, aber ich kam nie dazu, es dir zu sagen.“ Da möchten Sie doch toscaesk den Brieföffner nehmen und den Boss erstechen.
Stellen Sie sich vor, ihre Frau oder ihr Mann sagt Ihnen beim 50. Hochzeitstag, dass sie oder er Gelb nicht mag und Sie lassen vor ihren Augen die Kolonne gelber Kleidung, Blumen, Schmuckstücke etc. vorbeiziehen, die Sie all die Jahre geschenkt haben…
Zurzeit nehme ich den 6.28 nach Milano. Und alle drei Tage macht der innerschweizer Zugchef diese dummen Fehler.
Und beim nächsten Mal werde ich es ihm sagen.
I will tell him.
Point.
Nein: Full stop.
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