Dienstag, 16. Juli 2024

Lucky, Sunny, Happy


Ach, warum sind wir nicht glücklicher?
Wir müssten doch viel glücklicher sein.

Schon am Morgen erheben wir uns von unserem LUCKY-BED®, in dem wir auf unserer HAPPY-MATRATZE® wunderbar tief geschlafen und schön geträumt haben, wir schlappen in die Küche und lassen uns einen SUNNY-COFFEE® heraus und essen zu dem wunderbaren Espresso einen LUCKY-MUFFIN®.

Wir müssten – angesichts von so viel Glück – doch auch glücklicher sein.

Was haben wir heute für Termine?
Arbeiten müssen wir heute nicht, wir haben frei, obwohl wir ja in der Gebrüder Wohlfühl GmbH arbeiten, mit genügend Work-Life-Balance und viel Glücks-Faktor, aber dennoch, heute haben wir mal einen Tag zur freien Verfügung.
Aber wir haben ihn zum Teil verplant:
Um 11.00 werden wir uns bei SUNNY FEET® verwöhnen lassen und schauen, dass auch unsere Zehen und Fersen und Ballen glücklich werden, und nachdem Zehen und Fersen und Ballen glücklich geworden sind, werden wir um 13.00 uns bei HAPPY HAIR® uns einen neuen glücklichmachenden Haarschnitt verpassen lassen.

Und dann sind wir glücklich, oder?
Müssten wir doch sein.

Vielleicht dann noch etwas shoppen?
Zu LUCKY SHIRTS®, wo wir fröhliche Hemden in Rot, Gelb, Orange, Blau und Grün erstehen können, zu HAPPY SHOES®, wo Sneakers in frohmachenden Designs auf uns warten, oder zu SUNNY HATS®, wo wir einen Hut kaufen können, bei dem entweder ein grosse Feder sehr, sehr, lustig wippt oder ein Büschel unglaublich spassig in die Höhe ragt?
Könnte man machen, wenn die Preise für die Hemden bei LUCKY SHIRTS®, die lustigen Turnschuhe bei HAPPY SHOES®, die Kappen bei SUNNY HATS® nicht so wären, dass einem das Lachen ein wenig vergeht.

Also immer noch nicht glücklich?

Dann also doch Alkohol.
Immerhin ist in vielen Bars ab 17.00 HAPPY HOUR und wir können uns mit LUCKY DAY, LUCKY NIGHT, FLORIDA SUNSHINE, MIAMI SUNSHINE, HAPPY CAT oder HAPPY DOG zuschütten…

Jetzt aber mal im Ernst:
Der Gebrauch von den Glückswörtern ist inzwischen so inflationär, dass es mir manchmal die Schweissperlen auf die Stirne treibt. Dabei ist ja nichts so schwierig zu besprechen wie das Glück. Seit mehreren tausend Jahren diskutieren Philosophen und Theologen über die Frage, was Glück ist und wie man Glück erreichen kann. Die «Vita Beata» war bei vielen geistigen Schulen ein zu erstrebendes Ziel, wenn auch die Wege dahin ganz, ganz, ganz unterschiedlich waren – so hätten die Stoiker sich bei dem oben beschriebenen Tag sich mit Ekel und Abscheu abgewendet, ein Epikureer hätte wahrscheinlich am Shoppen und (natürlich) auch am Saufen seine Freude gehabt.

Aber meinen wir mit «happy» und «lucky» und «sunny» nicht meistens eigentlich nur «zufrieden»?
Vor vielen Jahren fing man an, von «glücklichen» Kühen zu reden. Das war ein unglaublich guter Spruch, der die Menschen davon überzeugen sollte, Milch nur von Kühen zu trinken, die herumlaufen dürfen und nicht gequält werden. Aber schon damals hatte man Probleme damit, zu eruieren, ob Kühe Glück empfinden oder nicht nur schlicht und einfach zufrieden sind.
Ein Hotel, das ich besuchte, warb wirklich mit einer «Nicht-happy-Geld-zurück-Garantie». Ich habe diese «Nicht-happy-Geld-zurück-Garantie» nicht ausprobiert, aber ich bin mir relativ sicher, dass mit der «Nicht-happy-Geld-zurück-Garantie» eigentlich eine Zufriedenheitsgarantie gemeint ist. Denn natürlich bekomme ich Geld zurück, wenn meine Matratze stinkt, einfach weil ich nicht zufrieden gestellt werde.
Aber glücklich?
Auf die Spitze getrieben müsste die «Nicht-happy-Geld-zurück-Garantie» bewirken, dass eine Person mit psychischen Problemen, eine Person mit einer bipolaren Störung in der depressiven Phase, dass Personen im Burnout (das ja in der Schweiz Erschöpfungsdepression heisst), das diese Leute im Hotel X gratis wohnen können.
Das ist wahrscheinlich nicht so…

«HAPPY» und «LUCKY» und «SUNNY» werden uns um die Ohren gehauen. Aber wir werden nicht glücklicher davon.
Denn auch wenn wir dann nach vielen LUCKY DAY, LUCKY NIGHT, FLORIDA SUNSHINE, MIAMI SUNSHINE, HAPPY CAT oder HAPPY DOG im HAPPY CAB® oder LUCKY TAXI® nach Hause fahren, um uns wieder auf unsere HAPPY-MATRATZE® im LUCKY-BED® zu legen, sind wir davon nicht glücklicher geworden.

Aber ich gebe zu:
Produkte wie SATISFIED-COFFEE® oder CONTENT-SHIRTS® würden sich wesentlich schlechter verkaufen.





 

 

 

 

 

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