Dienstag, 18. Juni 2024

EM und Saufen?

Diese Geschichte ist jetzt wirklich wahr und passiert:
Vor Jahren wurde ich in Freiburg von einem Dortmund-Fan angesprochen, wo es eine nette Kneipe gebe.
Dies wäre ja eigentlich noch keine ungewöhnliche Sache gewesen, wenn nicht drei Dinge mich etwas stutzig gemacht hätten:
Erste Tatsache: Der BVB-Typ war schon knülledicht, er lallte und hatte auch Mühe, sich aufrecht auf den Beinen zu halten, er musste im ICE schon einige Bierchen und Korn zu sich genommen haben.
Zweite Tatsache: Es war erst 11 Uhr morgens.
Dritte Tatsache: Das Spiel Freiburg gegen Dortmund begann erst um 16.00.

Ich fragte mich nun schon, was dieser Fussballfan überhaupt an der Dreisam suchte. Denn – ganz frank und frei und ganz ehrlich gesprochen – wird er vom Spiel ja wenig mitbekommen haben. Irgendwann ist man ja so hackedicht, so zu, dass man vielleicht noch die Farben der Trikots erkennt, aber vom genauen Spielverlauf nichts mehr sieht. Und solche Finessen wie «Ecke oder nicht», «Elfmeter oder nicht» usw. kann man dann sicher nicht mehr beurteilen.

Ich denke, ich werde auch so etwas ihm geantwortet haben, so in der Richtung, dass es in der Innenstadt von Freiburg genügend Beizen gebe, dass er aber eine kleine Saufpause einlegen müsse, um dem Spiel folgen zu können.
Ich weiss nicht, wie es ausging. Eventuell hat er nur wenig von der Partie gesehen. Eventuell auch nix, weil er mit Alkoholvergiftung in der Uniklinik lag…

An diese Story musste ich wieder denken, als schon am Donnerstag die Schotten in München einfielen. «Wir saufen München leer» war ihr Schlachtruf, und weil sie dem dünnen bayrischen Bier nicht trauten – heisst nicht zutrauten, sie richtig knülle zu machen – hatten sie genügend Flaschen eigenen schottischen Whiskey mitgenommen.
Wie viel diese Herren (jawohl, es sind halt doch meist Männer) nun vom ersten Spiel der EM gesehen haben, das wissen die Götter. Gut, vielleicht war es auch gut, wenig zu sehen, so, wie die schottische Mannschaft auseinandergenommen wurde.

Es gehe um den Sport, erklären mir ernsthafte Fans immer wieder. Gut, wenn es nur um den Fussball und nicht um Saufen und Randale geht, könnte man ja die Stadien und die Umgebung der Stadien alkoholfrei machen. Nein, am besten die ganze Stadt: Wenn in X am Tag Y das Achtel- oder Halbfinale der EM stattfindet, dann gibt es in X einen Tag vor Y bis einen Tag nach Y kein Bier, keinen Wein und keinen Schnaps.

Nun könnte man mir zwei Dinge vorhalten:
Zum einen, dass ich vor drei Jahren über das Thema Alkohol noch ganz anders geschrieben hätte.
Geschenkt.
Stimmt natürlich.

Zum zweiten könnte man sagen, dass ja auch im Kulturbetrieb nicht immer allein die Kultur im Mittelpunkt stehe…

Schauen wir uns einige Bereiche doch mal an.
Die klassische Vernissage ist eine Ausstellungseröffnung in einer Galerie, bei der der Künstler anwesend ist, ein Kunsthistoriker eine launige Rede hält, der Galerist die Menschen begrüsst und auf die Gäste ein Buffet mit weissem Tuch, Unmengen an Schampus und Weisswein, sowie Nüsse, Schnittchen, Salzstängel und Cracker warten. Nun kann man immer wieder Leute beobachten, die zwar bei Weisswein und Schampus kräftigst zuschlagen, auch bei Nüsse, Schnittchen, Salzstängel und Crackern, die aber den Künstler ignorieren und auch dem Kunsthistoriker nicht zuhören. Und auch die Bilder würdigen sie keines Blickes. Und genau diese Leute trifft man aber auf fast jeder Vernissage. Sie sind am 4. Juni in der Galerie Meyer, am 11. Juni im Kunstraum Apoll, am 18. Juni in der Space Gallery und am 25. Juni im Forum Neue Kunst, und an keinem der Termine, nicht am 4. Juni in der Galerie Meyer, nicht am 11. Juni im Kunstraum Apoll, nicht am 18. Juni in der Space Gallery und nicht am 25. Juni im Forum Neue Kunst schauen sie die Kunstwerke wirklich an, sondern machen sich über Getränk und Büffet her. Und sind dann manchmal auch echt angeheitert, so angeheitert, dass sie Künstler, Galerist und Kurator erzählen, dass sie eigentlich schöne Blumenbilder viel, viel, viel, viel töller fänden wie das abstrakte Geschmier.

Wie sieht es bei der Oper aus? Wahrscheinlich sind hier die echten Fans doch mehr als bei der Bildenden Kunst. Denn Gläser müssen ja im Foyer bleiben, und wenn man keinen Verdi mag, dann sind zwei Stunden erster und zweiter Akt, zwei Stunden dritter und vierter Akt doch sehr, sehr lange, nur um vorher, hinterher und in der Pause sich mit Weisswein vollzuschütten.

Bei Rockmusik ist es allerdings anders, hier werden Alkohol und Drogen konsumiert, vor der Stage und auf der Stage. Und das muss man dem Fussball lassen:
Die Spieler sind alle nüchtern.
Alle.
Alle ohne Ausnahme. Wer nur ein Bier in der Kabine tränke, der wäre weg vom Fenster.

Vor Jahren wurde ich in Freiburg von einem Dortmund-Fan angesprochen, wo es eine nette Kneipe gebe. Der BVB-Typ war schon knülledicht, er lallte und hatte auch Mühe, sich aufrecht auf den Beinen zu halten, er musste im ICE schon einige Bierchen und Korn zu sich genommen haben. Es war erst 11 Uhr morgens. Das Spiel Freiburg gegen Dortmund begann erst um 16.00.

Man kann nur hoffen, dass das bei der EM die Ausnahme bleibt…

 

 

      

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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