Musik macht Freude, wir hatten bei jedem Konzert viel Spass.
Das ist jetzt ein Satz, den ich nur mit grosser Vorsicht sagen und schreiben kann. Schon im Normalfall muss man ja als Musiker immer wieder darlegen, dass man für seine Kunst Geld braucht und Geld möchte. Niemand würde sich für seinen Geburtstag ein Catering bestellen und dann mit dem Hinweis, der Koch habe doch sicher Freude an seiner Kocherei und ihm würde das Herstellen von Suppen und Saucen doch Spass machen, den Preis, den man für Suppen und Saucen bezahlt, zu drücken. Aber genau mit dem Spass und Freude-Argument wird dann dem Pianisten der gerechte Lohn verweigert. (Denn von den 5000,-- Budget sind nur noch 200,-- übrig, weil das Catering fair bezahlt wird…)
Im Falle einer Tournee ist die ganze Sache noch heikler. Ich musste immer wieder – vor allem meinen Schülern – erklären, dass ich keine Ferien gemacht habe. Konzerte, Stellproben, Üben, Trainieren, all das ist hart und langwierig, auch wenn es im Ergebnis dann lustig und lustvoll war.
Musik macht Freude, wir hatten bei jedem Konzert viel Spass.
Eines unserer lustvollsten Lieder waren die «Tres Cantos», die Knaben begannen mit imitierten Vogelstimmen, dann summten die Männer einen Basston und die Buben starteten mit «Kikiki Korirare».
Witzigerweise, ironischerweise klingt «Kikiki Korirare» fast genauso wie «Kokiriko». Sie erinnern sich: Das japanische Domino-Schlag-Ding wurde von einem Buben in der Bierbeiz in Dreizehnlinden gespielt.
Und genauso lustvoll wie unsere Buben ihr «Kikiki Korirare» schmetterten, genauso lustlos spielte der Bub dort sein Kokiriko. Sie müssen sich das vorstellen: Da sitzen Vater und Sohn in der lustigen Tiroler Bierkneipe, umgeben von fröhlichen und frohsinnigen Biertrinkern, und sie spielen lüpfige Weisen im Viervierteltakt, der eine mit dem Akkordeon und der andere mit dem Kokiriko:
Dididi da da da
Dididi da da da
Didida Didida
Dididi da da
Jedenfalls, der Bub sah aus, als ob ihm ein Messer in den Rücken gehalten würde, als ob der Vater ihn zwänge, als ob er völlig verzweifelt sei. Und eigentlich hätte er doch lustig und lustvoll schauen müssen. Unser brasilianischer Reisebegleiter erklärte mir dann, dass das Duo wirklich für Geld spiele und der Sohn quasi zur Kinderarbeit gezwungen würde. Und daher eben nicht fröhlich gucke.
Unsere Männerstimmen erlösten dann den Jungen, indem sie ein «O Lux Beata» anstimmten. Als dem Lux noch das Lied vom Fährimaa und «Hinter em Minschder» folgten, war klar, dass die KKB jetzt den Abend bestreitet und Vater und Sohn heim dürfen und trotzdem ihr Geld bekommen…
Natürlich sangen unsere Tenöre und Bässe «O Lux Beata», das Lied vom Fährimaa und «Hinter em Minschder» lustig, fröhlich und lustvoll.
Musik macht Freude. Auch Tanzen macht Freude. Und wir hatten etliche Lieder mit rasanter und schwungvoller Choreographie im Gepäck, und bei den «Tres Cantos» ging genauso die Post ab wie bei «He Lives in You» oder einem Bollywood-Chorstück.
Umso erstaunter waren einige meiner Jungs, als wir Tangotänzer in Buenos Aires erlebten. Auf einem lauschigen Platz in San Telmo, dem historischen Quartier wechselten sich zwei Paare beim Tanzen ab, die Herren im Anzug und mit viel, viel, viel Pomade im Haar, die Damen im engen roten Kleid (die eine) oder im engen grünen (die andere). Die Leute taten das sehr professionell und aber auch als Profession – nach dem Tanzen liefen sie mit dem Hut umher, um Geld zu bekommen.
Meine Jungs waren nun erstaunt, dass diese Tänzer überhaupt nicht fröhlich aussahen.
Ich musste ihnen sage, dass eben Tangotänzerinnen und Tangotänzer nicht lustig oder fröhlich aussehen, niemand lächelt oder grinst, niemand strahlt, niemand zieht die Mundwinkel nach oben, nein, man ist ernst und seriös und konzentriert, und das macht eben den Reiz des Tangos aus.
Hocherotisch – aber nicht funny.
Gespannt körperlich – aber nicht einfach happy.
So muss Tango sein.
Am letzten Tag durften wir in unserer «Stammkneipe» noch einmal Vater und Sohn erleben – natürlich einen ANDEREN Vater und einen ANDEREN Sohn. Dieses Mal sang der Sohn, der Vater begleitete; und obwohl der Sohn eher düstere Lieder sang, merkte man doch, dass auch er nicht glücklich war. Leider gab es hier keine Möglichkeit für «O Lux Beata», für das Lied vom Fährimaa und «Hinter em Minschder».
Der Bub blieb unerlöst.
Musik macht Freude.
Tanzen macht Freude.
Und wir durften beides ausgiebig tun. Und wenn jemand meint, ich sei DESHALB im Urlaub gewesen:
Sei es drum.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen