Ach ja,…
Der Muttertag…
Wir haben gar nicht über den Muttertag gesprochen.
Wobei das jetzt ein wenig eine blöde Aussage ist, denn Sie haben ja gar keinen Einfluss darauf, was wir hier erörtern, disputieren und diskutieren. Wenn ich also hier von «wir» rede, dann ist das fies, weil Sie ja vielleicht etwas anderes als ich erörtern, disputieren und diskutieren wollen und Sie sehr wohl den Muttertag erörtern, disputieren und diskutieren wollten. Aber lassen wir das.
Der Muttertag also.
Mein Partner und ich haben den Muttertag dieses Jahr nur an einem Ort zu spüren bekommen, unsere beiden Mütter sind lange tot, wir merkten es an anderer Stelle.
Wir waren am 14. Mai in einem Konzert im Basler Stadtcasino, in dem das Orgelkonzert von Poulenc aufgeführt wurde, ein Werk, das ich liebe wie kaum ein anderes und auch schon selber dirigiert habe. Beim Ausgang wurde von reizenden Kindern an die Mütter – es war ja Muttertag – ein Geschenk abgegeben. Wir bekamen keines.
Nun kann man sich natürlich fragen, wie die reizenden Kinder an den Ausgängen wissen konnten, wer Mutter ist und wer nicht. Die klare Antwort ist: Sie wussten es nicht. De facto bekam jede Frau ein solches Geschenk. (Es war ein Schokoladenherz.) Jede Frau kann ja Mutter sein. Auch die Grossmütter und Urgrossmütter, denn auch die waren ja einmal Mütter…
Der Muttertag also.
Der Muttertag ist ein Tag zu Ehren der Mutter und der Mutterschaft. Er hat sich seit 1914, beginnend in den Vereinigten Staaten, in der westlichen Welt etabliert. Im deutschsprachigen Raum, den USA und anderen Ländern wird er am zweiten Sonntag im Mai gefeiert. Im Vereinigten Königreich wird hingegen der vierte Sonntag in der Fastenzeit als Muttertag begangen.
(so Wikipedia)
Die Feier zu Ehren der Mutter setzt sich in den 20er Jahren durch.
In Deutschland geschieht das im Jahr 1923, deshalb kann man in der BRD «100 Jahre Muttertag» begehen. In der Schweiz ist man 7 Jahre später dran. Da der Muttertag kein offizieller Feiertag ist – das Schenken ist ja auch freiwillig – gab es KEINE Volksabstimmung, KEIN Referendum und KEINEN Urnengang.
Der Mother`s Day wird – das ist kein Witz – vor allem von den Gärtnern, Floristen und Blumenhändlern propagiert.
Das ist – obwohl es kein Witz ist – natürlich trotzdem lustig. Es ist lustig, wenn die, die am meisten profitieren, eine Sache vorantreiben und dann rufen können: «Wir waren es nicht».
Das ist so wie bei Nessie: Das Ungeheuer in dem sagenumwobenen See in Schottland, das Monster, das noch niemand traf, das Tier der Urzeit wurde angeblich zum ersten Mal von einem Hotelier gesichtet. Mehr muss man dazu nicht sagen…
In Deutschland also 100 Jahre und es ist interessant, dass 1923 sonst ein Katastrophenjahr war: Inflation, Marsch zur Feldherrnhalle, hohe Arbeitslosigkeit und Separistenversuche. Und da war es natürlich angebracht, Inflation, Marsch zur Feldherrnhalle, hohe Arbeitslosigkeit und Separistenversuche mit einem schönen Blumentag zu kaschieren. Ja, und als später die hohe Arbeitslosigkeit und alle Separistenversuche erledigt wurden, da konnten sich die neuen Herren natürlich des Muttertags bedienen. Was dem Tag in der BRD die ganze Zeit so ein Gschmäckle verliehen hat.
Muttertag.
Für die meisten Mütter ja ein Albtraum. Denn manche Kinder schenken ja nicht einfach Blumen oder Schokolade. Nein: Sie «machen das Frühstück». Und wüten dafür in der Küche, wenn frau Glück hat, dann geht nix kaputt und geht nix zu Bruch, es gibt nur Sauerei. Jedenfalls muss jede Mutter – nachdem dem sie ein paar Male den Satz gesagt hat, wie schön das sei, dass sie diesen Sonntag nix tun muss – dann sehr, sehr, sehr, sehr, sehr lange die Küche aufräumen. Wenn die Mutter ganz besonderes Pech hat, haben die Kinder einen Kuchen gebacken und die eingetrockneten Teigreste sind nur mit dem Spachtel wegzubekommen.
Ich habe ja mit dem Muttertag ein spezielles Erlebnis: Wir mussten in der Grundschule den Text von einem Lied aufschreiben und mit Blümchen verzieren:
Liebe Mutter, liebe Mutter,
wir bringen dir heut
ein Lied und ein Blümchen,
ein Herz voller Freud.
Liebe Sonne, liebe Sonne,
schein hell und schein klar!
Und schenke der Mutter
ein fröhliches Jahr!
Kurz vor der Übergabe merkte ich, dass ich einen Schreibfehler gemacht hatte und flickte einen Buchstaben ein. Das wäre jetzt nicht so schlimm gewesen, wenn meine Mutter das Blatt nicht aufgehängt hätte – zum Glück nur in einem ganz privaten Bereich.
Erzengel, wo warst du?
Hatten Sie eigentlich einen schönen Muttertag? Wenn Sie Glück hatten, dann haben Ihre Kinder KEIN Frühstück gemacht und Sie waren in dem Konzert im Stadtcasino.
Nicht wegen des Geschenkes – der Poulenc war nämlich richtig gut…
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