Wie im letzten Post erwähnt: Ich war mal wieder in Holland (ja, wirklich Holland, Provinz Zuid-Holland, aber der Rest der Niederlande – so heisst es ja – ist nicht Holland, sondern Gelderland, Utrecht oder ähnliches… aber hatten wir das nicht schon einmal?)
Jedenfalls:
Nach drei Jahren Virus endlich wieder in meiner Lieblingsstadt, und was läge da näher, als Sie zwei Posts lang mit Impressionen zu beglücken – übrigens nicht nur aus Den Haag, sondern auch aus Amsterdam (auch Holland, aber Noord-Holland…)
VERMEER
Ja, das war natürlich ich mit dem Vermeer. Hätten Sie gedacht, ich berichte so fröhlich-heiter über einen Menschen, der einen Time-Slot ergattert, wenn ich das nicht selber bin? Wir waren also am 14. April um 19.15 im Rijksmuseum – ein Termin, den man nicht so schnell vergisst. Und um es kurz zu machen: Gewaltig. Geweldig. Grossartig. Jedes Bild eine Offenbarung. Noch nie waren so viele Bilder des Delfter Meisters an einem Fleck zu sehen. Die es nicht waren, konnten einfach nicht transportiert werden. Ja, das ist so. Denken Sie mal an sich selber: Mit 95 sind Sie vielleicht schon nicht mehr transportfähig. Und diese Meisterwerke sind ein wenig älter. Ein Mysterium blieb das «Meisje met de Parel», auf Deutsch komischerweise «Mädchen mit dem Perlenohrring» genannt, das war nämlich bis zum 1. April in Amsterdam, ging aber dann zurück ins Mauritshuis in Den Haag, was niemand wirklich erklären kann. Für mich übrigens kein Problem, als Den Haag-Fan habe ich das Meisje so oft besucht, dass es jedes Mal zwinkert, wenn ich komme.
Einziger Wermutstropfen: Die Fotografiererei. Warum in aller Welt stellt sich jemand vor einen Vermeer und knipst? Alle 36 Werke des Delfter Meisters sind im Internet tausende Male zu finden – und in besserer Qualität. Es wäre also vernünftiger das Bild zu betrachten, als das Handy davor zu halten.
Insgesamt aber ein Highlight dieses Jahres. Und meisterhaft organisiert, was ein paar deutsche Besucher ein wenig säuerlich machte. Wie ist es möglich, dass diese Niederländer inzwischen besser organisieren als die Menschen jenseits des Rheins? Organisation war doch immer eine deutsche Tugend? Gut, vielleicht plant es sich mit (ein wenig) Dope doch besser, gut, dann wird die BRD ja nun einen Riesensprung machen und Stuttgart 21 wird ganz schnell fertig…
SPRACHE
«What would you like to drink?» «We kunnen helemaal eten en drinken bestellen.» «Ok, what would you like to eat?» «U kunt graag Nederlands spreken.» «Sorry, but I don’t speak Dutch.»
Dieser Dialog hat sich in der Woche Holland sicher fünfmal ereignet. Zweimal müssten wir das ein wenig ändern, weil es Läden und keine Restaurants waren, aber das Prinzip bleibt gleich: Der Tourist spricht die Landessprache, der Mensch im Laden, Restaurant etc. eindeutig nicht. Das ist nicht nur verkehrte Welt, das ist perverse Welt.
Und es wird ein grosses Problem werden: Bislang war das Erlernen des Niederländischen der Schlüssel zur Integration. Eine Bekannte bekam beim Abholen der Immatrikulationsunterlagen für ihr Aufbaustudium barokviool (ein Studium, bei dem man nur alle zwei Wochen in den Niederlanden war und bei dem der einzige Lehrer, Sigiswald Kuijken, fliessend, akzentfrei Deutsch sprach) den klaren Hinweis (oder war es ein Befehl?): Now learn Dutch! Als ich vor Jahren das erste Mal in meine Lieblingsstadt kam, war ich optisch wie die Einheimischen, es gab aber viele Menschen, die aus allen möglichen Ländern kamen. Das drehte sich um, sobald wir den Mund aufmachten: Diese Menschen sprachen perfektes Niederländisch, ich nicht. Punkt. Wenn dieser Schatz jetzt aufgegeben wird, dann ist das eine Katastrophe. Gut, bislang betrifft das nur Amis und Engländer, aber warum müsste ein Afrikaner dann noch in einen Sprachkurs, wenn er schon Englisch kann?
TULPEN
Ich habe immer wieder geschrieben, dass es in Amsterdam keine Tulpen gibt. Und das war bis vor ein paar Jahren auch so. Das Lied «Tulpen aus Amsterdam» war Quatsch. An der Amstel wuchsen Büsche und Bodendecker, aber Tulpen eben nicht, die Tulpenfelder, die man auf den Fotos sah, kamen vom Keukenhof, jedem schrecklichen Touristenort, an dem japanische und chinesische Reisegruppen vom Keukenhof-Turm Selfies mit Tulpenmeer im Hintergrund schossen und dabei spitze Schreie ausstiessen.
Nun haben aber die Obersten von Amsterdam scheinbar meine Glossen gelesen und meine Klagen gehört: Überall in der Stadt haben sie Betonschalen aufgestellt und mit den herrlichsten Tulpen in Rot, Lila, Gelb und Orange bepflanzt. Wunderschön.
Eventuell ist aber auch die Tulpe ein Menetekel: Immerhin lösten Tulpenzwiebeln 1637 die erste europäische Finanzkrise aus…
So viel für heute vom Land hinter den Deichen. Am Dienstag gibt es noch eine Portion.
Bis dahin:
Dag!
Tot ziens!
En een fijn weekend!
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