Der 9 Euro-Post sollte eigentlich eine Predigt werden.
Und das kommt so:
Mein Freund Urs ist Pfarrer. Wir treffen uns vielleicht alle 2, 3 Wochen einmal zum Abendessen, und bei den Terminen reden wir dann (wirklich) über Gott und die Welt. Solange ich noch Alkohol trank, floss da auch reichlich Fendant oder Merlot.
Bei einem dieser Treffen und nach – ich muss das leider so zugeben – etlichen Flaschen Wein, kamen wir auf unsere Schreibereien, meine Glosse und seine Predigten. Wir entdeckten, dass wir häufig den gleichen Trick anwenden: Wir gehen von einem Punkt, einer Begebenheit, einer Kleinigkeit, einer Frage aus, und aus diesem Punkt, dieser Begebenheit, dieser Kleinigkeit, jener Frage heraus versuchen wir, allgemeinere Sätze zu finden. Und wir entdeckten auch, dass wir manchmal nicht weiterkamen, dass Punkt, Begebenheit, Kleinigkeit oder Frage wie in der Luft hingen und strampelten.
Ja, und da kamen wir auf die Idee (Schnapsidee? Wohl eher eine Wein-Idee, vielleicht auch eine Bier-Idee…) uns Textanfänge zu gegenseitig zu senden, wenn wir nicht weiterkommen.
So hatte ich vor ca. einem Jahr einen Anfang, der in der Luft hing:
In den Sommerferien waren wir im deutschen Rheinfelden. Wir hatten einige Besorgungen zu machen, die es nur im Deutschen gibt und wollten auch noch in eine Galerie. Ja, und natürlich das legendäre Eis im «Venezia» schlecken. Als ich nun die Hauptstrasse entlanglief, fiel mir etwas auf: Die gegenüberliegenden Häuser waren an allen Punkten der Strasse gleich weit voneinander weg, die Strasse war überall gleich breit.
Das war natürlich ein bescheuerter Anfang.
Denn selbstverständlich sind ALLE Strassen und ALLE Innenstädte so gemacht, JEDE Strasse sollte immer die gleiche Breite haben und Häuser (es sei denn, einige sind vorbegärtent und einige nicht) sollten IMMER den gleichen Abstand haben. Welche Erkenntnis sollte und konnte ich jetzt daraus entwickeln? Ich kam nicht weiter.
So schickte ich den Textbeginn an Urs. Und siehe da: Als Predigt funktionierte es.
(Predigttext: Das Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner, Lukas 18, 10-14)
In den Sommerferien war ich in Bad Säckingen. Wir hatten einige Besorgungen zu machen, die es nur im Deutschen gibt und wollten auch noch in ein Museum. Ja, und natürlich das legendäre Vanille-Eis im «Roma» schlecken. Als ich nun die Hauptstrasse entlanglief, fiel mir etwas auf: Die gegenüberliegenden Häuser waren an allen Punkten der Strasse gleich weit voneinander weg, die Strasse war überall gleich breit.
Überall der gleiche Abstand. Liebe Gemeinde, wir haben alle den gleichen Abstand, die gleiche Entfernung zu Gott. Egal, ob wir viele gute Taten oder wenig gute Taten vollbringen, ob wir fromm sind oder nicht, ob wir Kirchgänger sind oder nicht. Der Abstand ist gleich.
Aber Gott hat in Jesus diesen Abstand überbrückt…
Es ist erstaunlich, dass das nun geht. Aber es fiel mir auf, dass in Predigten genau das geschieht, was ich vorhin belächelt habe, da wird eine totale Belanglosigkeit und ein totaler Allgemeinplatz so speziell gemacht, dass der Predigthörer denkt, es handele sich eben um eine spezielle Erfahrung des Pfarrers.
Da will man über die Schönheit von Gottes Schöpfung reden, und da braucht man Blumen, und da hat man in den Ferien in der Stadt W im Park X eine Y-Blume in der Farbe Z gesehen, und es hört sich so an, als ob Y in Z nur in der Stadt W im Park X gedeihen, dabei hat jede Gärtnerei 2000 im Gewächshaus.
Da will man über die Angst reden, und da hat einen in den Ferien in der Stadt W auf dem Platz X ein Y-Hund angefletscht, so als ob es fletschende und bellende, beissige (sic) Ypsilons nicht auch in den heimischen Strasse gäbe…
Achten Sie mal auf solche Predigtanfänge, wenn Sie das nächste Mal in die Kirche gehen. Ach so, machen Sie gar nicht. Dann schalten Sie halt mal nicht ab, wenn im Radio «Das Wort zum Tag» oder «Das Geistliche Wort» kommt und achten Sie auf die Predigten.
Ja, und so wollte Urs eben neulich eine Predigt über das «Scherflein der Witwe» (Markus 12, 41-44) schreiben und begann so:
Hatten Sie bisher einen schönen Sommer? Sind Sie auch ein wenig herumgefahren? Mit öffentlichen Verkehrsmitteln? Mit dem 9 Euro-Ticket?
Also, wir haben unser Juli-9 Euro-Ticket weidlich genutzt. Wir waren in Köln unterwegs, wir sind von dort nach Bonn, Aachen und Düsseldorf gereist, danach benutzten wir das Ticket in Frankfurt und Darmstadt.
Ja, das Geld und seine Verwendung ist immer ein Thema gewesen…
Und dann kam Urs nicht weiter, denn in der Scherflein-Geschichte geht es ja um eine völlig andere Sache, und so schickte er mir das Ding und ich machte einen Post daraus.
War sicher lustiger.
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