Sie besuchen gerade die Dienstag-Freitag-Glosse. Einfach so. Einfach so, spontan und ohne Time-Slot. Gut, vielleicht haben Sie Ihren persönlichen Slot, vielleicht lesen Sie immer um 8.00 meinen Post, oder um 7.00, oder vielleicht auch später, vielleicht immer NACH dem ersten Kaffee oder VOR dem ersten Kaffee oder VOR der ersten Zigarette oder NACH der ersten Zigarette, vielleicht auch erst am Abend, jedenfalls haben Sie möglicherweise einen eigenen Slot, aber keinen den ich Ihnen auferlege. Eventuell sind Sie aber auch wirklich ein ganz spontaner Mensch, dem irgendwann am Tag, vielleicht beim Supermarktkassenwarten oder beim Spazierengehen, der beim Fensterputzen oder im Schwimmbecken spontan denkt: „Jetzt die Dienstag-Freitag-Glosse lesen!“ Und dann lesen Sie, ganz spontan, wobei Sie beachten sollten, dass Sie an der Supermarktkasse trotzdem vorrücken müssen, dass Sie beim Spaziergehen auf die Fresse (s.v.v.) fallen, wenn Sie nur aufs Smartphone gucken, dass Fensterputzen mit gleichzeitigem Lesen sehr gefährlich ist und dass ihr Smartphone wahrscheinlich nicht wasserdicht ist, jedenfalls machen Sie es spontan.
Aber egal, ob spontan oder mit persönlichem Slot: Die Glosse verlangt keinen Slot von Ihnen.
Ganz im Gegensatz zu den meisten öffentlichen Einrichtungen.
Ich war neulich eine Woche in Berlin, und da war das schon ein Herumjonglieren mit den diversesten Timeslots, gefühlt war ich eigentlich die ganze Zeit nur am Timeslotten. Das blöde ist ja, dass man so viel rechnen muss, dass man auch so viel Zwischenzeit einplanen muss, dass einem manchmal schwindlig wird.
Zum Beispiel der Dienstag am Morgen Schwimmen im Prinzenbad, danach in die Neue Nationalgalerie und abends in Staatsoper, Figaro. Gut, die Oper arbeitet ja immer quasi mit Slots, weil das ja eine Vorstellung ist, also geht man mal davon aus, 19.00 startet das dideldideldim dideldidel dideldideldim dideldidel dideldidel daaaa…, also muss man um 18.00 in Kreuzberg los. Nun will man – man hat ja Ferien – noch einen kleinen Mittagsschlaf machen, also ein Slot in der Nationalgalerie um 14.00, nein, das ist zu knapp, um 13.00, man muss ja den Weg von Mitte nach Kreuzberg auch wieder rechnen, und selbst für kleine Strecken kann an der Spree locker mal eine Stunde zusammenkommen.
Nun also noch das Schwimmen. Das legendäre Bad (es ist durch Herr Lehmann immerhin ein Schauplatz der Weltliteratur) bietet Slots von 8.00–10.15 und von 10.30–12.45. Den zweiten? Wie lange braucht man vom Prinzenbad zur NNG? Oder doch den ersten, dann könnte man noch einmal heim und frühstücken, man muss aber hoffen, dass man rechtzeitig wach wird? Es ist eine verdammte (s.v.v.) Überlegerei…
Und am Mittwoch dann das Gleiche noch einmal, allerdings mit Cosí und Gropiusbau, das erste auch Staatsoper, also gleich, das andere aber an anderer Stelle, wodurch sich die Wege total verändern.
Wir timeslotten.
Ich timeslotte, Sie timeslotten, du timeslottest, ihr timeslottet.
Zwei Dinge sind zu befürchten:
Das erste ist, dass die Händler und Verkäufer die Timeslots entdecken. Wäre doch praktisch, wenn der Bäcker wüsste, von 10.00 bis 10.30 kommt niemand, da kann ich selbst zum Metzger gehen, wäre doch super, wenn der Metzger zum Lehrburschen sagen könnte: „Du, die nächste Viertelstunde kommt niemand, du kannst eine rauchen gehen.“ Wäre doch klasse, wenn der Juwelier wüsste, dass am nächsten Tag bis 12.00 keiner kommt, da könnte er ausschlafen. Kein planloses Herumgestehe und Gewarte mehr, alles planbar und stylbar.
Für uns wäre es eine Katastrophe, Einkäufe, die man in 30 Minuten erledigt, würden die dreifache Zeit kosten, denn man muss ja immer ein wenig Zeit einplanen.
8.00 Bäcker
8.15 Metzger
8.30 Post
8.45 Apotheke
9.00 Uhrmacher
9.15 Buchhandlung
Das zweite blöde Dinge wäre, wenn die Sportanlagen und Museen die Slots beibehalten würden. Für die Einrichtungen wäre es super, wenn alles planbar wäre, wenn man immer wüsste, wie viele Leute wann da sind.
Für uns Besucher wäre es die reine Katastrophe.
Das Schöne vor Corona war es ja, ganz spontan an einem Schwimmbad vorbeizukommen, Lust auf 500m Kraul oder 1000m Brust zu bekommen, hineinzugehen, sich Badebekleidung und Handtuch auszuleihen und einfach loszuschwimmen.
Das Schöne vor Corona war es ja, ein Plakat zu sehen und zu rufen: „Oh, Im Hulbermuseum ist eine Expressionismus-Ausstellung, nichts wie hin!“
Nein, da gehen die Meinungen auseinander, für die Einrichtungen sind die Slots ein Plus, für uns Stuss.
Sie besuchen gerade die Dienstag-Freitag-Glosse. Einfach so. Einfach so, spontan und ohne Time-Slot. Gut, vielleicht haben Sie Ihren persönlichen Slot, eventuell sind Sie aber auch wirklich ein ganz spontaner Mensch.
Aber egal, ob spontan oder mit persönlichem Slot: Die Glosse verlangt keinen Slot von Ihnen.
Und das wird auch so bleiben.
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