Eine Gretchenfrage. Was ist das eigentlich? (auch das schon wieder eine Frage, die Frage nach der Gretchenfrage, also sozusagen die Gretchenfragefrage…)
Wikipedia hat – wie immer oder meistens oder vielleicht auch nur oft – eine Antwort parat:
Gretchenfrage bezeichnet als Gattungsbegriff eine direkte, an den Kern eines Problems gehende Frage, die die Absichten und die Gesinnung des Gefragten aufdecken soll. Sie ist dem Gefragten meistens unangenehm, da sie ihn zu einem Bekenntnis bewegen soll, das er bisher nicht abgegeben hat.
Der Begriff hat eine ziemliche Erweiterung erfahren, denn in der eigentlichen Gretchenfrage geht es um eine einzige Sache:
„Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub’, du hältst nicht viel davon.“
Faust eiert dann ein wenig herum, kommt mit pantheistischem-holistischem Gerede, schwafelt und blabbert, philosophiert und theologisiert, in der Hoffnung, Gretchen verstehe nicht alles, was ja auch der Fall ist, sie aber wischt alles weg, meint, ihre Pfaffen würden das so ähnlich sagen, und nennt dann ihren heiklen Punkt:
Der Mann an Faustens Seite gefällt ihr nicht.
Und damit trifft die gute Margarete auf eine Weise ins Schwarze, die Bewunderung hervorruft. Denn dieser Mann ist ja nicht einfach ein Ungläubiger oder Atheist, ein Ketzer oder Lästerer, er ist der Teufel…
Wie würde aber heute eine Gretchenfrage gestellt? Und in welchem Umfeld? Würde sie angesichts von Skandalen und Eklats, von Multifinanz und Pädophilie, angesichts von Aktionen wie Maria 2.0, die im Sande verebben und Kardinälen, die nicht mehr wollen, angesichts des ganzen Ausmasses an Mist, angesichts des Augiasstalles, der nicht nur den Tiber, sondern auch Rhein, Donau und Ebro bräuchte, und selbst Tiber, Rhein, Donau und Ebro hätten Mühe, nicht lauten:
„Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub’, du hältst zu viel davon.“
Und natürlich hiesse die Fragestellerin nicht Gretchen, sondern Hella oder Maya, hiesse Anke oder Pepa und natürlich wäre der Angesprochene auch kein Johann Georg, sondern allenfalls ein Johan-Gregor, aber vielleicht auch ein Malte-Marco, ein Finn-Falk oder Antanael-Ario. Und natürlich würde Johan-Gregor, Malte-Marco, Finn-Falk oder Antanael-Ario nicht die Theologie pantheistisch umschreiben, er würde aber auch schwafeln und blabbern, er würde stammeln und plappern und angesichts von Skandalen und Eklats, von Multifinanz und Pädophilie, angesichts von Aktionen wie Maria 2.0, die im Sande verebben und Kardinälen, die nicht mehr wollen, angesichts des ganzen Ausmasses an Mist, angesichts des Augiasstalles, der nicht nur den Tiber, sondern auch Rhein, Donau und Ebro bräuchte, den REFORMWILLEN der katholischen Kirche hervorheben.
Wie gesagt:
Den REFORMWILLEN.
Nicht etwa die konkreten REFORMBEMÜHUNGEN.
Oder gar REFORMERFOLGE.
Und nun käme Hella oder Maya Anke oder Pepa auf den heiklen Punkt: Johan-Gregor, Malte-Marco, Finn-Falk oder Antanael-Ario hat einen Freund, wir nennen ihn mal Hilarius-Vitus. Und jener Hilarius-Vitus ist nicht nur schon im Studium des Priesteramtes, er hat seine Fühler auch schon ganz kräftig nach Rom ausgestreckt, da ist das Ziel nicht mehr nur die Dorfpfarrei, sondern ganz, ganz, ganz, ganz oben. Und da muss er natürlich schauen, dass dieses Oben in zwanzig Jahren noch existiert und nicht irgendwelche 2.0-Weiber oder durchgeknallte Kardinäle ihm alles kaputtgemacht haben.
Und das ist dann «der Mann an deiner Seite», der das heutigen Gretchen so stört.
Nein, stellen wir die Gretchenfrage neu.
Hiess sie vor 100 Jahren: «Du glaubst doch an Gott?» heisst sie heute meist: «Du glaubst doch nicht etwa an Gott?»
Hiess sie vor 100 Jahren: «Du gehst doch in die Kirche?» heisst sie heute meist: «Du gehst doch nicht etwa in die Kirche?»
Hiess sie vor 100 Jahren: «Du liest doch die Bibel?» heisst sie heute meist: «Du liest doch nicht etwa die Bibel?» (Wobei man – auf Empfehlung des Atheisten Brechts – ja die Bibel lesen sollte, aber das ist eine andere Geschichte.)
„Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub’, du hältst zu viel davon.“
Das wird die Gretchenfrage des 21. Jahrhunderts.
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