Verzweiflung herrschte bei Deutschlands Schülern in den Abschlussklassen: Was würde mit Abitur und Mittlerer Reife im Sommer 2021 passieren? Würde es Not-Prüfungen geben mit Abstand und Maske? Würde es gar keine Prüfungen geben und es würden einfach die letzten Jahre gewertet? Würde es einen Corona-Bonus geben? Oder nicht und alle hätten schlechtere Noten? Immer wieder sahen wir in ARD und ZDF junge Menschen, den Tränen nahe und mit zitteriger Stimme, die ihre Zukunft gerade den Bach hinunter gehen meinten…
Dann in den Nachrichten die Entwarnung: Das Abi 21 findet statt.
Seien Sie mal ganz ehrlich: Haben Sie Ihre Abiturnote gebraucht? Wahrscheinlich nicht. Wenn Sie nicht eines der NC-Fächer studiert haben, genügte ein „bestanden“. Also wenn Sie nicht gerade Mediziner sind, sprich ein verdammt gutes Abi gebraucht haben, dann hat ihr Abitur nie interessiert, ausser eben seine Existenz.
Ich hatte ein sehr, sehr gutes Abi gemacht. 1984. Note: verschweigen wir, aber gut. Sie werden jetzt einwenden, dass eine Prüfung mit drei schriftlichen Tests und einem mündlichen OHNE einen deutschen Aufsatz ja eh nicht gilt, und da hätten Sie auch nicht ganz unrecht. Aber ich habe mir ja dieses reformiertoberstufige Abi nicht ausgesucht, ich musste dieses reformiertoberstufige Abi machen, weil ich halt 1982 bis 1984 in eine reformiertoberstufige Oberstufe, in eine reformiertoberstufige 12. und in eine reformiertoberstufige 13. Klasse ging, und ausserdem ist das eine ganz andere Geschichte.
Jedenfalls hatte ich eine saugute Note, die ich nie wieder brauchte.
Nicht, dass mir meine Studienplätze nachgeworfen wurden, ganz und gar und überhaupt nicht.
In der Schulmusik gab es eine harte Aufnahmeprüfung: Klavierprogramm mit 4 Epochen, Gehör, Tonsatz, Gesang und Allgemeine Musiklehre; im Nebenfach Latein konnte man einfach anfangen, man musste allerdings für die Proseminare Prüfungen machen, es gab Einführungskurse, die man zwar beliebig oft besuchen konnte, aber irgendwann hätte man dann einfach keine Lust mehr gehabt…
Für mein Studium Künstlerische Ausbildung Chorleitung gab es dann wieder eine Aufnahmeprüfung, unter anderem eine halbstündige Probe mit dem Hochschulchor. Ja, und dann kam noch das Zusatzfach Deutsch in Basel, dafür musste man Abschlüsse in zwei Lehrfächern (z. B. Musik und Latein) nachweisen….
Also nicht nachgeworfen.
Nur meine Abiturnote interessierte niemand.
Genauso wenig wie das Geschrei um die Note habe ich das Geschrei verstanden, das losging, als man davon redete, einfach die letzten beiden Jahre zu zählen. Scheinbar gibt es Schüler, die die letzten Jahre nichts getan haben und nun, auf den allerletzten Drücker, im ultimativen Moment, im Schlusszeitpunkt noch alles geben wollen. Ist das realistisch?
Stellen Sie sich vor, sie sind bei einem Marathon mit 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf Platz 56 und der erste ist 1,3 Kilometer vor dem Ziel. Und nun beschliessen Sie auf den allerletzten Drücker, im ultimativen Moment, im Schlusszeitpunkt das Rennen zu gewinnen. Geht nur mit einem Mofa oder einem Auto, aber die sind nicht erlaubt, der Sinn eines Rennens ist ja zu RENNEN. Also haben Sie keine Chance.
Stellen Sie sich vor, Sie bemerken eine gewisse Lücke in Ihrer Altersversorgung. Dummerweise sind Sie mit 59 Jahren schon relativ nah an der Rente (oder Nicht-Rente?). Und Sie beschliessen mit fast sechzig Lenzen zu sparen, zurückzulegen, nicht so viel auszugeben, Sie versuchen auf den allerletzten Drücker, im ultimativen Moment, im Schlusszeitpunkt 40 000.— auf Ihr Bankkonto zu buchen. Aber das wird Ihnen wahrscheinlich nicht gelingen. Spare in der Zeit, dann hast du in der Not, so sagt man doch, und man sagt ja auch: Was Hänschen nicht spart, spart Hans…
Stellen Sie sich vor…
Ach, das genügt jetzt. Ich denke, Sie haben verstanden.
Wer auf eine ungenügende Note käme, wenn man einfach die letzten Jahre zählte, wird auf kein brauchbares Abi kommen, er wird vielleicht das PASS statt dem FAIL erreichen, aber – das sage ich ganz ehrlich und ganz unverblümt – VERDIENT hat er oder sie das Abitur nicht.
Und wie ist es mit den Nicht-Abi-Abschlüssen? Auch hier war das Geschrei gross, Hilfe, Hilfe, Hilfe, wir bekommen einen schlechten Abschluss, damit finden wir keine Lehrstelle, wir können keine Ausbildung machen…
Nun, ich unterrichte lange genug Berufskunde, um zu wissen: Man bewirbt sich NICHT mit dem Abschlusszeugnis. Im Idealfall finden meine Berufskundeschülerinnen und Berufskundeschüler im Herbst ihres letzten (also neunten) Schuljahres eine Lehrstelle, wir reichen also beide Zeugnisse der achten und das Sommerzeugnis der siebten ein. Die sollten gut sein, das Abschlussdings ist eine nette Formalität.
Verzweiflung herrschte bei Deutschlands Schülern in den Abschlussklassen: Was würde mit Abitur und Mittlerer Reife passieren? Würde es Not-Prüfungen geben? Oder würden einfach die letzten Jahre gewertet? Corona-Bonus? Oder alle hätten schlechtere Noten? Immer wieder sahen wir in ARD und ZDF junge Menschen, den Tränen nahe und mit zitteriger Stimme, die ihre Zukunft gerade den Bach hinunter gehen meinten…
Dann in den Nachrichten die Entwarnung: Die Prüfungen finden statt.
Aber – sagen wir es mit Shakespeare – Much Ado about Nothing. Auf Deutsch: Viel Lärm um nichts.
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