Ich bin auf diese Gemeinden gestossen, weil ich Orte mit lustigen Namen suchte, gerne diese Mehrfachnamen. Thaleischweiler-Fröschen kannte ich, denn eine Studienkollegin kam daher; und sie musste immer damit kämpfen, dass andere bei der Nennung ihrer Herkunft immer Lachkrämpfe bekamen: «Ich komme aus Thaleischweiler-Fröschen.» «Woher?» «Aus Thaleischweiler-Fröschen.» «Huuuuuuuuuuuuuuuuuaaaaaaaaaaaaaaaaa.» Wanne-Eickel kannte man stets. Und man kannte es noch besser, seitdem einst Frau Heidenreich ihre Kunstfigur Else Stratmann dort ansiedelte, denn die Else war ja Metzgersgattin aus Wanne-Eickel.
Und jetzt suchte ich im Internet noch ein bisschen nach Doppelnamenstädte, deren es in der BRD immerhin fast 400 gibt, und ich stiess auf…
Genau, auf Tripelnamenstädte, davon gibt es nämlich nur zwei: Hellschen-Heringsand-Unterschaar und Rehm-Flehde-Bargen.
Hellschen-Heringsand-Unterschaar und Rehm-Flehde-Bargen liegen in dem Bundesland, über das ich 2014 geschrieben habe, und zwar dort geschrieben habe, sie liegen in Schleswig-Holstein, und während ein paar Tage in Kiel habe ich dort über Deutschlands nördlichsten Teil gelästert. Ich habe Schlehol – wie ich es damals abkürzte – als Appenzell der BRD bezeichnet, weil alles so klein und putzig ist, ich habe als deutsche Basilikata bezeichnet, weil Schlehol das Armenhaus ist, ständig klamm, ständig pleite, ständig Ebbe und ständig ohne Geld, und ich nannte es das Panama Deutschlands, weil eine der wichtigsten Funktionen dieses Landes ist, durch es hindurchzufahren, nämlich durch den Nord-Ostsee-Kanal.
Nebenbei gesagt, ich habe in Kiel auch den einzigen Post verfasst, bei dessen Erstellung ich keine Kleider trug, um herauszufinden, ob man nackt anders schreibt, aber das ist eine andere Geschichte…
Was schreibt Wikipedia über Hellschen-Heringsand-Unterschaar und Rehm-Flehde-Bargen? Nun, wenn Hellschen-Heringsand-Unterschaar und Rehm-Flehde-Bargen Personen wären, dann wäre ihr Eintrag (Max Normalbürger, irgendwann geboren, Schulausbildung, Lehre, 30 Jahre als Verkäufer gearbeitet, seit zwei Jahren pensioniert, geschieden, eine Tochter, zurzeit Single…) schon längst gelöscht, denn hier wird kein Relevanzkriterium erfüllt. Aber, und das lerne ich jetzt und hier, scheinbar erfüllen Städte und Gemeinden, Orte und Dörfer immer das Relevanzkriterium, einfach weil es sie gibt…
Hellschen-Heringsand-Unterschaar und Rehm-Flehde-Bargen, beide im Kreis Dithmarschen, sind wohl mit die uninteressantesten Gemeinden, die der norddeutsche Raum zu bieten hat. Das einzige spannende sind die Namen, Hellschen-Heringsand-Unterschaar ist übrigens generell der längste aller deutschen Ortsnamen.
Von Hellschen-Heringsand-Unterschaar finde ich drei Bilder:
- Kohlernte
- Windräder prägen die Landschaft
- Gemüseanbau und Bauernhöfe
Von Rehm-Flehde-Bargen finde ich keine.
Hier ist die Welt zu Ende, hier sagen sich Fuchs und Hase Gute Nacht, hier ist tote Hose und – wie die Italiener sagen – das Haus des Teufels, hier ist wirklich Pampa.
Andererseits, und das ist merkwürdig, strahlt diese Gegend, wo die Welt fertig ist, sich die Tiere gute Nacht sagen, wo man im Kraut ist (so sagen die Schweizer), wo tote Hose ist und das Teufelshaus und die ewige Pampa, einen bittersüssen paradoxen Reiz aus. Stellt man sich vor, wie man dort stünde und in die Ferne und Weite sähe, unter einem wolkendurchzogenen weiten Himmel, dann will man dort sein, will die Luft schmecken und atmen, aber man weiss, dass wenn man diesen Sehnsuchtsort erreicht hätte, man sofort wieder wegwollte.
Man möchte im Herzen nach Hellschen-Heringsand-Unterschaar und Rehm-Flehde-Bargen ziehen und fahren, aber wenn man dort ist, was macht man da?
Es ist dieses Doppelnamen- und Tripelnamenzeug, das sei als Letztes noch erwähnt, übrigens eine BRD-Geschichte. Österreich und die Schweiz haben da viel weniger. Die meisten der fast 400 Namen sind Früchte der Gebietsreformen in den 70er Jahren. Diese Gebietsreformen waren wohl der grösste Schwachsinn, den die Bundesrepublik nach dem Krieg fabriziert hat. Bis heute verweigern sich viele Städte dem Gefühl einer Einheit. Bis heute sagt einer aus Villingen-Schwenningen «Ich bin Villinger» oder «Ich bin Schwenninger», er sagt niemals «Ich bin Villingen-Schwenninger», denn eine Konstruktion über die Europäische Wasserscheide hinweg, die eine schwäbische und evangelische und eine badische und katholische Stadt vereinen will, das geht einfach nicht.
Fahre ich jetzt mal nach Hellschen-Heringsand-Unterschaar und Rehm-Flehde-Bargen oder doch eher nicht?
Wohl eher nicht. Vielleicht nach Wanne-Eickel?
Das es übrigens gar nicht mehr gibt, schon Else Stratmann war eigentlich eine Bürgerin der Stadt Herne.
Die Gebietsreform eben.
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