Dienstag, 16. Februar 2021

Bitte nicht malen UND schreiben UND musizieren! Bitte!

Carl Pfeiffer, der Dirigent des Sinfonieorchesters Weppen an der Weppe, ein ausserordentlich begabter und beliebter Musiker, hat jetzt ein Buch geschrieben. Nachdem nun letztes Jahr die Ausstellung seiner Ölbilder im Kunstmuseum Weppen (Titel Vision und Wirklichkeit) eine kleine örtliche Sensation war, erlebt nun das Weppener Kulturpublikum die Buchvernissage – online, natürlich! – von Telefonate um Mitternacht, Pfeiffers ersten Roman. Und genauso wie die Bilder zu teuersten Preisen erworben wurden, werden schon bei der Präsentation 4000 Exemplare von Telefonate um Mitternacht bestellt.

Auch der Gedichtband von Claudia v. Schwollen ist ein Erfolg. Sie, die eigentlich Plastiken macht und mit diversen Ausstellungen in grossen Häusern punkten konnte (Kunstmuseum Stuttgart, Kunsthalle Basel, Forum Würth Schwäbisch Hall etc.) hat jetzt schon über tausend Male – online, natürlich! – Holziges Hölzern in Holz verkauft, ihr Buch mit 69 Gedichten. Ja, und ihr Debut als Leadsängerin der Indierock-Gruppe Wild Wives konnte im Juli 2020 im Loch zwischen den beiden Lockdowns tatsächlich über die Bühne gehen und war für die 8000 Leute, die begeistert mittanzten eine super Sache.

Artur Abelsen ist nun wirklich ein Mann des Wortes, der Schrift und des Schreibens. Er schreibt Essays und Berichte für alle grossen Zeitungen wie ZEIT, Süddeutsche, FAZ und taz und hat mit
Themen / Schemen und Junge Dame / Altes Haus zwei beachtliche Theaterstücke geschrieben, sein erster Roman wird 2022 erscheinen. Nun hat Abelsen aber 2020 auch eine CD mit Klavierimprovisationen herausgebracht (mit dem griffigen Titel Artur Vol. I) und 2019 stellte das Kunstmuseum Bottrop (seine Heimatstadt) etliche Radierungen von ihm aus. CD wie auch Radierungen wurden von allen grossen Zeitungen wie ZEIT, Süddeutsche, FAZ und taz gut besprochen…

Drei Lebensläufe, drei Erfolgsgeschichten.
Wieso glaube ich sie nicht? Wieso kann ich mir nicht vorstellen, dass Pfeiffer, von Schwollen und Abelsen in sowohl Musik als auch Bildender Kunst als auch Literatur etwas Vernünftiges zustande bringen? Anders formuliert: Wieso halte ich es für unmöglich, dass die drei in den jeweils beiden anderen Sparten das Gleiche schaffen wie in ihrer eigentlichen?
Weil es das nie gab.
Doppelbegabungen gibt es und gab es, aber Tripelbegabungen? Es gab Schriftsteller-Maler wie Dürrenmatt oder Hesse, aber die spielten dann nicht auch noch Orgel, es gab Dichter-Musiker wie E. T. A. Hoffmann oder Cohen, die malten dann aber keine Bilder, ganz selten gab es einen Maler-Musiker wie Cage, der dann nicht auch noch Theaterstücke schrieb.

Aber…
Aber…
Aber, werden Sie sagen, aber die haben doch alle Erfolg! Ja, die haben Erfolg, aber der Erfolg im Hauptgebiet löst die anderen mit aus, da können die begabt sein oder auch nicht.
Man geht in Visionen und Wirklichkeit und man liest Telefonate um Mitternacht, weil man Pfeiffer kennt , und man kennt ihn eben, weil Pfeiffer Chefdirigent in Weppen an der Weppe ist und man denkt, dass jemand, der so sensibel und doch kraftvoll, so gekonnt und inspiriert dirigieren kann, eben auch genauso sensibel und kraftvoll, so gekonnt und inspiriert malt und schreibt, und man gesteht sich nicht ein, dass es eben nicht so ist.
Man interessiert sich für Holziges Hölzern in Holz und die Wild Wives, weil man sich für Claudia von Schwolle interessiert, aus keinem anderen Grund.
Und Abelsen hat natürlich für seine Kunstwerke und für seine Musik die besten Besprechungen, einfach, weil er in den Redaktionen von ZEIT, Süddeutsche, FAZ und taz ein und aus geht. Aber selbst wenn der festangestellte Kollege ihn verreisst, ein Verriss an prominenter Stelle – das wissen wir – ist oft viel besser als ein Lob in einer Provinzzeitung.

Die drei haben also Erfolg, weil sie bekannt sind.
Punkt.
Und auf eben diesen bringt es Lars Eidinger, der seit Jahren Fotos macht und ausstellt (sogar echt gute) und der jetzt seinen ersten Foto-Band herausgebracht hat, wenn er sagt: «Ich weiss genau, dass die Leute sich nicht meine Bilder ansehen, weil es so tolle Bilder sind, sondern sie sehen sich meine Bilder an, weil ich Lars Eidinger bin.»

Wobei eben der Herr Eidinger noch gute Fotos macht, was tun wir, wenn – um mal irgendeinen Namen zu nennen – Irina Beller anfängt zu singen, oder – um es noch schrecklicher zu machen – anfängt zu singen UND zu malen, oder – um den Teufel vollständig an die Wand zu malen – anfängt zu singen UND zu malen UND Gedichte zu schreiben? Ein Publikum hätte die Society-Lady ob ihrer Bekanntheit sicher. Obwohl sie sicher eine Tripel-Unbegabung wäre…
Eine Tripel-Unbegabung haben wir hier auch in Basel: Eine Musikerin, die dann auch (schlecht) malte und nun einen (unglaublich schlechten) Roman über eine Zauberflöten-Produktion herausgebracht hat. Aber auch sie: Lokal bekannt und die Leute kommen und kaufen.

Zum Schluss ein Versprechen, da wir ja im Dürrenmatt-Jahr sind, im Stil von Friedrich:
Leserschaft der Dienstag-Freitag-Glosse: Du wirst nicht malen?
Rolf Herter: Ich werde nicht malen.
Leserschaft der Dienstag-Freitag-Glosse: Versprichst du es?
Rolf Herter: Ich verspreche es.
Leserschaft der Dienstag-Freitag-Glosse: Versprichst du es bei deiner Seligkeit?
Rolf Herter: Ich verspreche es bei meiner Seligkeit.





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