Dienstag, 27. Oktober 2020

Man muss in Europa keine einheitliche Zeit haben

 Wir haben die Uhren wieder einmal zurückgestellt. Also, eigentlich stimmt das gar nicht. Wir haben die Uhren ja gar nicht zurückgestellt, man muss ja nicht mehr drehen und schrauben, die Uhren haben sich selbst zurückgestellt, auch das stimmt nicht ganz, sie sind von irgendeiner Zentrale angetrieben worden, hockt da eigentlich ein kleines Männchen und drückt auf einen Schalter oder geht das auch automatisch und von wo wird die Sache nun eigentlich gesteuert?

Egal.

Wir haben nun wieder die Winterzeit, also die normale, so wie jedes Jahr und wie jedes Jahr schwebt die Hoffnung über uns, diese Zeitumstellung möge die letzte gewesen sein. Es ist klar, dass man den Unsinn lassen will, den erhofften Erfolg hat es ja nicht gebracht, nämlich eine Energieersparnis, was natürlich logisch war, denn die Lampen, die am Abend später angehen, gehen am Morgen später aus.

Ausserdem: Es gibt nicht nur Menschen, die am Abend lange aufbleiben. Es gibt auch Menschen, die morgens früh aufstehen müssen. Es gibt Zeitungsausträger und Bäcker, es gibt Baristas und Buschauffeure, alle sie sind jetzt froh, wenn eben 6.00 auch 6.00 nach der Sonne ist und eben diese Sonne auch dann irgendwann aufgeht…

Nun will man den Blödsinn also bleibenlassen, Europa ist sich nur uneinig, ob man zukünftig die jetzige Sommer- oder Winterzeit behalten will. Eigentlich ein Unding, denn die Macher der Weltzeit haben sich ja irgendwas gedacht, so mit Sonne im Zenit um 12.00 und so, die jetzt eingekehrte Zeit ist die richtige, die MEZ, die Mitteleuropäische Zeit, da gibt es nichts zu rütteln dran, und die könnte man einfach behalten.

Aber warum muss sich Europa überhaupt einig sein? Man ist sich doch in keinem Punkt einig, warum können dann die Staaten nicht selbst entscheiden, welche Zeit sie haben? Warum lässt man keinen Flickenteppich entstehen? Es herrscht doch nirgendwo Unité de doctrin, nicht bei Corona, nicht bei den Flüchtlingen, nicht bei der Umwelt und nicht einmal bei der Rechtsstaatlichkeit. Selbst bei extrem simplen und äusserst einfachen Dingen ist keine Einigkeit da. Nirgendwo dürfen Sie zum Beispiel einfach beliebig schnell auf einer Autobahn fahren – ausser in der Bundesrepublik Deutschland. Und wenn man dort einen Raser nach einem Unfall aufgreift (im Schadensfalle hat er nämlich doch Teilschuld), dann findet man im Kofferraum eine Kiste mit 10000000 in Bar, mit dem Geld wollte er sich ein Haus kaufen, das geht nämlich auch nur in der BRD, willkommen im Geldwäscherland. Wenn Sie hemmungslos kiffen wollen, dann gehen Sie nach Holland, zum Sterben in die Schweiz und zum Steuersparen nach Malta, wenn Sie umgekehrt aber Ihre Meinung sagen wollen, dann gehen Sie nicht nach Ungarn oder Polen.

Uneinigkeit, wohin man schaut…
Daher mein Vorschlag:
Als Symbol der Uneinigkeit, der Zerrissenheit, als Darstellung des Flickenteppichs und des Auseinanderdriftens in Moral und Ethos wählt sich jedes Land eine eigene Zeit. Und zwar sind – und jetzt wird es lustig – auch Verschiebungen um Spannen ungleich einer Stunde möglich. Natürlich werden sich einige Länder doch einigen und dann könnte eine Tabelle folgendermassen aussehen:

Wenn es 10.00 in Berlin ist, dann ist es in

Amsterdam

10.45

Beneluxzeit

BLZ

Brüssel

10.45

Beneluxzeit

BLZ

Luxemburg

10.45

Benelux

BLZ

Warschau

8. 30

Ost-Zeit

OZ

Budapest

8.30

Ost-Zeit

OZ

Rom

14.15

Südeuropäische Zeit

SEZ

Madrid

14.15

Südeuropäische Zeit

SEZ

Stockholm

11.50

Nordeuropäische Zeit

NEZ

Kopenhagen

11.50

Nordeuropäische Zeit

NEZ



Interessant, nicht?
Wir sehen, dass bestimmte Länder uns voraus sind, die Beneluxstaaten und die Skandinavier.
Und bestimmte Länder sind ihrer Zeit eben hinterher. Entschuldigung, zeigt nicht die Errichtung von LTGB-freien Zonen, dass man seiner Zeit weit, meilenweit, lichtjahreweit hinterher ist? Und das sind in Polen ja keine Einzelstädte mehr, fast ¼ des Landes hat die «Kommunale Charta der Rechte von Familien» unterzeichnet.
Die SEZ ist sicher das Interessanteste: Sie geht jetzt generell nur von 14.00–16.00, rückt also nur in ganz kleinen Schritten vor. Es ist also ab nun in Südeuropa immer Siesta.
Machen wir es also so: Zeigen wir auch mit den Uhrzeiten, wie uneinig wir in Europa sind.

Wir haben die Uhren wieder einmal zurückgestellt. Also, wir haben die Uhren ja gar nicht zurückgestellt, sie sind von irgendeiner Zentrale angetrieben worden, ein kleines Männlein hat da auf einen Knopf gedrückt.
Wir haben nun wieder die Winterzeit, also die normale, so wie jedes Jahr und wie jedes Jahr schwebt die Hoffnung über uns, diese Zeitumstellung möge die letzte gewesen sein.

Man muss sich nur noch einigen…
Nein.
Muss man nicht.

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